Aktuelles
News
Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Arbeitsrecht
- Dienstfreistunden nach Corona-Ausbruch: Verrechnung der Mehrstunden mit dienstfreien Zeiten obliegt Organisationsermessen des Dienstherrn
- Kündigung Schwerbehinderter: Ohne Zustimmung des Integrationsamts drohen Entschädigungsansprüche
- Probezeitkündigung: Fehlende Zustimmung des Personalrats gilt als erteilt, wenn er zuvor ordnungsgemäß angehört wurde
- Verhaltensbedingte Kündigung: Auch sexuelle Belästigung muss in der Regel vor einer Kündigung abgemahnt werden
- Zustimmungsersetzungsverfahren: Arbeitsgericht lehnt Kündigung von Betriebsratsvorsitzender nach Versehen bei Arbeitszeitnachweis ab
In diesem Fall ging es um die Frage, ob eine Beamtin einen Anspruch auf Gutschrift ihrer Mehrstunden hat, die der Dienstherr mit den infolge des pandemiebedingten Wegfalls ihres Tagdienstes entstandenen Minusstunden verrechnet hatte. Lesen Sie selbst, was das Verwaltungsgericht Koblenz (VG) zur Klage der Beamtin zu sagen hatte.
Eine Beamtin, die in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) tätig war, wurde im Januar 2021 für eine Woche vom Dienst freigestellt, nachdem in der JVA das Corona-Virus ausgebrochen war. Der Dienstherr hatte sämtliche Arbeitsbereiche geschlossen, mit Ausnahme der für die Aufrechterhaltung des Anstaltsbetriebs erforderlichen Bereiche. Die den dienstfrei gestellten Beschäftigten somit entstandenen Minderstunden wurden mit vorhandenen Mehrstunden verrechnet. Dagegen klagte die Beamtin - jedoch erfolglos.
Laut VG hatte sie keinen Anspruch auf Gutschrift ihrer verrechneten Mehrstunden, da die Verrechnung vom Organisationsermessen des Dienstherrn umfasst war. Er darf Zeit und Ort der Dienstleistungspflicht der Beschäftigten durch das ihm zustehende Weisungsrecht bestimmen. Der Personalbedarf war infolge des Corona-Ausbruchs kurzfristig entfallen.
Hinweis: Der Fall trug sich zwar in Zeiten der Pandemie und im Öffentlichen Dienst zu - die Grundgedanken sind jedoch auch auf die freie Wirtschaft übertragbar.
Quelle: VG Koblenz, Urt. v. 19.04.2022 - 5 K 902/21.KO
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Vor der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist unbedingt das Integrationsamt einzuschalten. Wird künftig eine Kündigung ohne die Beteiligung der Behörde durchgeführt, kann das für den Arbeitgeber teuer werden. Zwar hatte der Käger im folgenden Fall nicht den erhofften Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zu verbuchen - das allerdings lag vielmehr an seiner Nachlässigkeit als an der geltenden Rechtslage.
Anfang Februar 2018 erlitt ein Hausmeister einen Schlaganfall, zu dessen Folgen eine halbseitige Lähmung gehörte. Die Arbeitgeberin hatte hiervon zwar Kenntnis, kündigte ihm dennoch zwei Monate später das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen. Das Integrationsamt beteiligte sie zuvor nicht, da der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt schließlich kein anerkannter Schwerbehinderter gewesen sei. Der Arbeitnehmer legte zunächst eine Kündigungsschutzklage ein, und die Parteien einigten sich in einem Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Dann jedoch reichte der Hausmeister eine neue Klage ein, um eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu erhalten. Schließlich sei die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung offensichtlich gewesen.
Dieses Argument überzeugte die BAG-Richter jedoch nicht. Denn der Hausmeister hatte keine Umstände dargelegt, nach denen zum Kündigungszeitpunkt durch die Arbeitgeberin von einer offenkundigen Schwerbehinderung auszugehen war.
Hinweis: Dennoch betonten die Richter deutlich, dass der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, die Vermutung begründen kann, dass die Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung erfolgte. Eine solche Vermutung kann der Arbeitgeber dann versuchen zu widerlegen, was naturgemäß allerdings schwer werden dürfte.
Quelle: BAG, Urt. v. 02.06.2022 - 8 AZR 191/21
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der Probezeit ist unter Beachtung der Kündigungsfristen jederzeit möglich. Insbesondere benötigt der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund. Jedoch ist stets der Betriebs- oder Personalrat zuvor anzuhören. Dass dessen Weigerung jedoch nicht bedeutet, dass keine Kündigung erfolgen darf, zeigt der folgende Fall des Thüringer Landesarbeitsgerichts (LAG).
Eine Arbeitnehmerin war bei einer Behörde in Thüringen beschäftigt. Noch während der Probezeit war der Arbeitgeber mit ihren Leistungen so unzufrieden, dass er das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beendete. Der vor der Kündigung angehörte Personalrat hatte mit der Begründung der Kündigung widersprochen, dass die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich wäre und eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Vertragsbedingungen erfolgen könnte. Der Arbeitgeber kündigte dennoch, und die Arbeitnehmerin klagte dagegen an, da sie die rechtmäßige Beteiligung des Personalrats anzweifelte.
Doch in den Augen des LAG war die Zustimmungsverweigerung für eine Kündigung innerhalb der Probezeit hier unbeachtlich, da die Zustimmung mit einer Begründung verweigert wurde, die inhaltlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestands des Personalrats lag. Die Mitbestimmung beschränkt sich dabei auf solche Gründe, die im Rahmen der Probezeitkündigung eine Rolle spielen. Somit war die Anhörung des Personalrats rechtmäßig - die Kündigung jedoch auch. Denn in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses benötigt der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund.
Hinweis: Viele Kündigungen sind schon an der fehlerhaften Betriebsratsanhörung gescheitert. Das gilt im Übrigen auch für Kündigungen in der Probezeit.
Quelle: Thüringer LAG, Urt. v. 08.03.2022 - 5 Sa 62/22
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Es gibt Vergehen, die mehr Empörung hervorrufen als andere. Doch Arbeitgebern ist stets ruhig Blut anzuraten, wenn es um die Konsequenzen von Delikten am Arbeitsplatz geht. Denn dass im Regelfall selbst bei Vorwürfen der sexuellen Belästigung vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung auszusprechen ist, zeigt das folgende Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG).
Mehrere Arbeitnehmerinnen hatten sich über einen Kollegen wegen sexueller Belästigung beschwert. Er hatte unter anderem Kolleginnen den Arm um die Schultern gelegt, sie zum Saunagang oder Cafebesuch aufgefordert. Dabei soll es sich um den technischen Leiter des Betriebs gehandelt haben. Für die Belästigungen kassierte der Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung, gegen die er klagte.
Das LAG hielt die Kündigung für unverhältnismäßig und erklärte sie für unwirksam. Es fehlte an einer vorherigen Abmahnung. Auch bei einer Kündigung wegen einer sexuellen Belästigung handelt sich um eine verhaltensbedingte Kündigung - und eine solche setze grundsätzlich voraus, dass ein Arbeitnehmer zuvor einschlägig abgemahnt worden ist.
Hinweis: Eine sexuelle Belästigung ist ein schwerwiegendes Delikt. Trotzdem ist nicht immer gleich eine Kündigung das Richtige. Die Kündigung ist stets das letzte Mittel, zu dem ein Arbeitgeber greifen darf.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 23.02.2022 - 10 Sa 492/21
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Mitglieder des Betriebsrats sind vor Kündigungen besonders geschützt. Denn der Betriebsrat selbst muss einer solchen Kündigung zustimmen. Wird eine solche Zustimmung verweigert, kann sie gerichtlich ersetzt werden, was das beauftragte Arbeitsgericht Gera (ArbG) im folgenden Fall jedoch nicht für nötig erachtete.
Eine Reinigungskraft war in einem Unternehmen für Reinigungsdienstleistungen und gleichzeitig als Betriebsratsvorsitzende tätig. Am 30.08.2021 war ein sogenannter Ausgleichstag geplant. Die Arbeitnehmerin beantragte jedoch, diesen Ausgleichstag wegen eines Arzttermins am 03.09. nehmen zu dürfen, was auch genehmigt wurde. Schließlich aber fand der Arbeitgeber dann in dem ausgefüllten Arbeitszeitnachweis keine entsprechende Korrektur. Außerdem hatte die Betriebsratsvorsitzende eine halbstündige Betriebsratstätigkeit an einem falschen Tag eingetragen. Deshalb wollte der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen und beantragte die Zustimmung bei seinem Betriebsrat. Als er die nicht erhielt, beantragte er beim ArbG das sogenannte Zustimmungsersetzungsverfahren, da dieses die Zustimmung des Betriebsrats ersetzen kann.
Das sah das ArbG seinerseits jedoch völlig anders. Ein Grund für eine Kündigung lag seiner Ansicht nicht vor, obwohl zwei nicht korrekte Arbeitszeitnachweise eingereicht worden waren. Der Betriebsratsvorsitzenden konnte kein Täuschungswillen nachgewiesen werden. Denn zum einen war in dem ausgehändigten Arbeitszeitnachweis für den 03.09. eine Arbeitsleistung voreingetragen, obwohl die Arbeitgeberin wusste, dass der Ausgleichstag für diesen Tag gewährt wurde. Das leistete einem Irrtum bei der Eintragung Vorschub. Zum anderen ging das Gericht nicht von einer vorsätzlichen Täuschung der Arbeitnehmerin aus, sondern lediglich von einem Versehen.
Hinweis: Wird einem Mitglied des Betriebsrats gekündigt, sollte in jedem Fall geprüft werden, ob es sinnvoll ist, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Dafür haben Arbeitnehmer drei Wochen Zeit.
Quelle: ArbG Gera, Beschl. v. 08.03.2022 - 3 BV 7/21
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Zum Thema Erbrecht
- "Einseitig letztwillig": Gesetzesauslegung bei Verwendung juristischer Fachbegriffe in handschriftlichen Testamenten
- Auslegungsregel bei Forderungsvermächtnis: Sparvermögen kann Ersatz für die ursprünglichen Anleihen darstellen
- Testamentsauslegung: Als Erbe gilt, wer für Beerdigung und Folgekosten aufkommt
- Testamentsvollstrecker: Zur Unwirksamkeit von Beurkundungen zugunsten des Notars
- Wille des Erblassers: Beschränkungen müssen in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufgenommen werden
Wer sich beim Verfassen seines letzten Willens auf sein gesundes Bauchgefühl verlässt statt auf professionelle Hilfe, muss damit rechnen, dass nach seinem Ableben nicht alles so läuft, wie eigentlich gedacht. Denn dann muss das Gericht auslegen, was wohl gemeint gewesen ist. Und im Rahmen einer solchen individuellen Testaments- oder Erbvertragsauslegung spielt der Wortlaut eine große Rolle - so auch im folgenden Fall, der vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) landete.
Hier hatten Eheleute im Jahr 1984 ein gemeinschaftliches Testament errichtet und dort unter anderem verfügt, dass der überlebende Ehegatte - auch für den Fall des gleichzeitigen Ablebens - "einseitig letztwillig" Verwandte des Ehemanns sowie Abkömmlinge des Bruders der Ehefrau zu Erben einsetzt. Nachdem der Ehemann bereits kurz nach der Errichtung des Testaments verstorben war, verfügte die Erblasserin im Jahr 2017 im Rahmen eines notariellen Testaments eine hiervon abweichende Erbfolge. Nach ihrem Tod stritten schließlich die ursprünglich eingesetzten Erben mit den nun bedachten Erben über die Wirksamkeit der notariell beurkundeten testamentarischen Verfügung.
Nun ging es um die Frage, ob die Verwendung des juristischen Fachbegriffs "einseitig letztwillig" im Sinne des Gesetzes zu verstehen sei. Dies hätte zur Folge, dass nach dem gemeinschaftlichen Testament 1984 der überlebende Ehegatte in folglicher Ermangelung einer wechselbezüglichen Verfügung noch die Möglichkeit hatte, zu einem späteren Zeitpunkt eine abweichende Regelung zu treffen. Dem gegenüber stünde die Annahme, dass es sich bei der Verfügung bereits um eine solche wechselbezügliche Verfügung gehandelt habe, die nach dem Tod des verstorbenen Ehemannes einseitig nicht mehr abgeändert werden könne.
Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Verwendung des juristischen Fachbegriffs davon auszugehen sei, dass es sich eben nicht um eine wechselbezügliche Verfügung gehandelt habe. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff "einseitig" im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Erbvertrags, wonach jeder Vertragsschließende einseitig jede Verfügung treffen kann. Derartige Verfügungen können von jedem Vertragschließenden widerrufen werden, ohne dass es der Mitwirkung des anderen bedarf. Eine abweichende Auslegung sei laut Gericht nur möglich, wenn als erwiesen gilt, dass der verwendete Begriff bei der Testamentserrichtung übereinstimmend eine abweichende Bedeutung haben sollte. Sofern dies - wie hier - nicht festgestellt werden kann, ist im Rahmen der Auslegung der juristische Fachbegriff in seiner vom Gesetzgeber beabsichtigten Weise zu verstehen. Die 1984 vorgesehenen Erben hatten hier also letztlich das Nachsehen.
Hinweis: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich der Wille eines Erblassers aus dem eindeutigen Wortlaut unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs ergibt.
Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.02.2022 - 8 W 361/21
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Lässt ein Erblasser dem Bedachten lediglich einzelne Gegenstände zukommen, spricht man in Abgrenzung zu einer Erbeinsetzung von einem Vermächtnis. Damit kann auch eine Forderung verbunden sein, was nach Eintritt des Erbfalls mit dem Gegenstand geschehen soll. Im folgenden Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entscheiden, was mit einer als Vermächtnis bestimmten Geldsumme zu geschehen hat, die von einem Wertpapierdepot zu einem Festgeldkonto gewandert war und somit nicht mehr in den eigentlichen Wortlaut des Vermächtnisses fiel.
Die Erblasserin hatte im Jahr 2010 ein notarielles Testament errichtet und darin eine in ihrem Eigentum stehende Immobilie dem Alleinerben zugewendet. Darüber hinaus ordnete sie an, dass ihre Wertpapiere in Höhe von "derzeit 780.000 EUR" von dem Erben verkauft und der Erlös zu einem Anteil von je einem Sechstel an namentlich genannte Personen ausgezahlt werden soll. Als die Erblasserin im Jahr 2019 verstarb, wies das Wertpapierdepot jedoch nur noch einen Wert von rund 100.000 EUR auf - denn bereits zu Lebzeiten der Erblasserin waren Gelder aus dem Depot auf ein Festgeldsparkonto eingezahlt worden, das zum Todeszeitpunkt einen Wert von etwa 740.000 EUR ausmachte.
Das OLG kam bei der Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis, dass die Auslegungsregel für Forderungsvermächtnisse zugrunde zu legen sei: Weist das Wertpapierdepot zum Todeszeitpunkt einen geringeren Betrag auf, weil Rückzahlungen aus Anleihen auf einem Festgeldkonto angelegt worden sind, muss der Erbe beweisen, dass die Erblasserin nicht den Willen hatte, die Vermächtnisnehmer auch mit dem so entstandenen Sparvermögen zu bedenken, das einen Ersatz für die ursprünglichen Anleihen darstellt. Diesen Nachweis konnte der Erbe nicht führen, so dass das OLG entschied, dass den Vermächtnisnehmern ein Anteil von einem Sechstel an dem Vermögen auf dem Festgeldkonto zusteht.
Hinweis: Verändert sich das Vermögen des Erblassers zwischen Errichtung der letztwilligen Verfügung und Erbfall, ist zu ermitteln, ob es dem Erblasser auf eine bestimmte Beteiligung am Nachlass oder auf die Zuwendung eines bestimmten Gegenstands ankam.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 05.04.2022 - 10 U 200/20
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Unklare Formulierungen führen im Erbrecht oft zu Konfusionen. Im Rahmen der Auslegung eines privatschriftlichen Testaments musste sich das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG) hier mit der Frage beschäftigen, ob der Erblasser bei der Verteilung nur einzelner Nachlassgegenstände auf mehrere Personen einen der Bedachten als Alleinerben einsetzen wollte. Bei der Urteilsfindung stellte es dabei entscheidend auf die Frage ab, wer nach dem Testament für die Beerdigung und die damit verbundenen Kosten aufkommen sollte.
Der Erblasser hatte im Jahr 2019 ein Testament handschriftlich verfasst und darin verfügt, dass seine Lebensgefährtin Erbin seiner Immobilie werden solle. Hinsichtlich eines Bankvermögens sowie weiterer Grundstücke und Grundstücksanteile verfügte er, dass er diese unter anderem an seine Nichten und einen Neffen vererbe. Für seine Beerdigung und Folgekosten solle seine Lebensgefährtin verantwortlich sein. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Lebensgefährtin einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Nachdem das Nachlassgericht den beantragten Erbschein erteilte, wandten sich die übrigen Bedachten mit einer Beschwerde an das Gericht.
Das OLG kam im Wege der Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis, dass der Alleinerbschein zu Recht erteilt worden war. Zwar war der Wortlaut des Testaments nicht eindeutig, da der Erblasser für alle Bedachten den Begriff "Erbe" verwendet hatte. Das der Lebensgefährtin zugewandte Anwesen sowie das Barvermögen stellten jedoch den wesentlichen Teil des Nachlasses dar. Letztlich sei dabei aber auch der Wille des Erblassers zu berücksichtigen, dass die Lebensgefährtin für die Regelung des Nachlasses und die Nachlassschulden, zu denen auch die Bestattungskosten zählen, verantwortlich zeichnen sollte. In der Regel ist davon auszugehen, dass die Kosten der Grabpflege den Erben auferlegt werden sollen.
Hinweis: Wendet der Erblasser seinen Hauptvermögensgegenstand einer Person zu, ist in der Regel davon auszugehen, dass dieser auch Alleinerbe werden soll. Sicher aber gehen jene, die zu Lebzeiten professionelle Hilfe bei der Formulierung des letzten Willens hinzuziehen.
Quelle: Saarländisches OLG, Beschl. v. 30.03.2022 - 5 W 15/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Beurkundungen sind unwirksam, wenn sie darauf gerichtet sind, einem Notar oder dessen Angehörigen einen rechtlichen Vorteil zu verschaffen. Dies gilt grundsätzlich auch bei Beurkundungen von Verfügungen von Todes wegen, in denen der Notar zum Testamentsvollstrecker ernannt werden soll. Was so eindeutig und verständlich klingt, musste kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt werden.
Eheleute hatten im Jahr 2001 bei einem Notar einen Erbvertrag beurkundet. Noch am selben Tag haben die Eheleute ein von beiden unterzeichnetes handschriftliches Schriftstück aufgesetzt, das mit der Überschrift "Nachtrag zu dem Erbvertrag vom (...)" überschrieben war und in dem jeder der Beteiligten den beurkundenden Notar als Testamentsvollstrecker eingesetzt hat. Das handschriftlich verfasste Schriftstück wurde fest mit dem Erbvertrag verbunden.
Der BGH hat entschieden, was schon das Oberlandesgericht zu Recht angenommen hatte - und zwar, dass dem Notar das beantragte Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen war, da die gesetzliche Einschränkung durch das Verbot von Beurkundungen zugunsten des Notars vorliegend nicht anwendbar war. Dieses Verbot bezieht sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung nur auf die eigentliche Beurkundung des Notars, den Erbvertrag. Dieser beinhaltet aber keine Einsetzung des Notars als Testamentsvollstrecker. Auch die Verbindung des Schriftstücks mit dem Erbvertrag führt nicht dazu, dass dieses Schriftstück Teil der Urkunde wird. Die Verbindung dient lediglich dem Zweck, einem Verlust einzelner Blätter vorzubeugen.
Hinweis: Der Ernennung zum Testamentsvollstrecker steht auch nicht entgegen, wenn das eigenhändige Testament in den Räumen des Notars in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Beurkundung abgefasst wurde oder der Notar den Text des eigenhändigen Testaments entworfen hat.
Quelle: BGH, Beschl. v. 23.02.2022 - IV ZB 24/21
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Ein Testamentsvollstrecker kann die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragen, um dadurch seine Position Dritten gegenüber nachzuweisen. Inwieweit auch Abweichungen von den gesetzlichen Verfügungsbefugnissen sowie eventuelle Beschränkungen oder Erweiterungen in dem Testamentsvollstreckerzeugnis auszuweisen sind, klärte im Folgenden das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG).
Der im November 2020 verstorbene Erblasser hatte ein notarielles Testament errichtet und eine Testamentsvollstreckung angeordnet. Darin hieß es, dass der Testamentsvollstrecker die Aufgabe hat, die in der Verfügung von Todes wegen angeordneten Vermächtnisse zu erfüllen. Soweit es zu diesem Zweck erforderlich ist, darf der Testamentsvollstrecker den Nachlass nach eigenem Ermessen vollumfänglich verwerten - die Auseinandersetzung unter den Miterben solle er hingegen nicht herbeiführen. Die Testamentsvollstreckung solle mit der Erfüllung des vorstehenden Vermächtnisses enden. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die zur Testamentsvollstreckerin ernannte Rechtsanwältin bei dem zuständigen Nachlassgericht jedoch die Erteilung eines unbeschränkten Testamentsvollstreckerzeugnisses. Hiergegen wendeten sich die Erben - erfolgreich.
Das OLG stellte in seiner Entscheidung klar, dass alle Abweichungen von der gesetzlichen "Normalregelung" in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufzunehmen seien. Hierzu reiche auch bereits aus, dass sich die Aufgabe der Testamentsvollstreckerin auf die Erfüllung des Vermächtnisses beschränke und ende, sobald diese erledigt sei. Auch der Umstand, dass sie nur uneingeschränkt zu Verfügungen berechtigt sei, soweit es zur Erfüllung des Vermächtnisses erforderlich ist, stelle eine solche Einschränkung dar. Letztlich sei auch die zeitliche Beschränkung im Hinblick auf die Erfüllung des Vermächtnisses eine Beschränkung, die in das Zeugnis des Testamentsvollstreckers aufgenommen werden müsse.
Hinweis: Wird ein Erbschein erteilt, ist auch die Testamentsvollstreckung als eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis der Erben dort zu vermerken.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 04.04.2022 - 3 W 107/21
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Zum Thema Familienrecht
- Bestehende Bindung zur Mutter: Ohne exklusives Eltern-Kind-Verhältnis ist Adoption durch reiche Erbtante nicht möglich
- Keine Grundrechtsverletzung: Vater kann zum gleichzeitigen Besuch seiner drei Kinder verpflichtet werden
- Kniff mit privater Rentenversicherung: Wie man zumindest einen Teil seines Kapitals dem Versorgungsausgleich entzieht
- Namensänderung: Einbenennung eines Kindes in Stieffamilie nur bei nachgewiesener Erforderlichkeit möglich
- Verbleib in Ehewohnung: Billigkeitsabwägung bei körperlicher Behinderung
Wer sich ohne stabile elterliche Wurzeln haltlos fühlt, kann sich auch als Erwachsener adoptieren lassen. Aber einfach ist ein solches Unterfangen bei weitem nicht. Das beweist das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG), bei dem ein Volljähriger mit einer Erbschaft großzügig bedacht werden sollte.
Eine vermögende ältere Patentante wollte ihren volljährigen Neffen adoptieren. Zu ihren zwei erwachsenen Kinder hatte sie nach einem Streit seit vielen Jahren keinen Kontakt. Mit ihrem verstorbenen Mann hatte sie ein gemeinsames Testament gemacht, in dem der Neffe als Schlusserbe eingesetzt worden ist. Die leiblichen Kinder waren somit also enterbt. Die Adoption hätte dem Neffen im Erbfall finanzielle Vorteile verschafft, denn es gab ca. 750.000 EUR zu vererben, so dass der höhere Erbschaftsteuerfreibetrag relevant wurde. Die Adoption hätte auch dazu geführt, dass jedes der leiblichen Kinder der Tante einen um etwa 62.500 EUR geringeren Pflichtteil bekäme. Wie zu erwarten war, widersprachen die leiblichen Kinder der Adoption - und kamen damit auch durch.
Gesetzliche Voraussetzung der Adoption ist ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen der Patentante und ihrem Neffen - und das wird unter dem Gesichtspunkt der "sittlichen Rechtfertigung" geprüft. Für solch ein Eltern-Kind-Verhältnis ist der Altersabstand einer Generation erforderlich, außerdem ein soziales Familienband und die Bereitschaft zu gegenseitigem und uneigennützigen Beistand. Hierbei sahen die Gerichte das Problem, dass die Mutter des Neffen ja noch lebte und er zu ihr eine gute Beziehung hatte. Wer zu seinen leiblichen Eltern ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis habe, habe zu anderen Verwandten eine andersartige Beziehung, die keine Lücke füllen müsse. Eine besondere Prägung des Neffen in der Kindheit durch die Tante sei zudem nicht erkennbar. Seine regelmäßigen Besuche im Haus gälten sowohl seiner Mutter wie seiner Tante, denn die beiden alten Damen wohnten in demselben Haus. Aufgrund der Summe aller Zweifel des OLG spielten die finanziellen Motive eine Rolle. Dass die Tante ihren Neffen gern stärker an sich binden wollte, weil ihre Kinder sich nicht um sie kümmerten, genügte nicht als Motiv im Rechtssinne.
Hinweis: Die Beziehung zur Mutter wäre dann kein Ausschlussgrund gewesen, wenn nicht die Tante, sondern ein neuer Ehemann oder eine neue Ehefrau der Mutter die Adoption gewollt hätte.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.05.2022 - 18 UF 60/21
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Dass Umgangsrecht gleichsam auch eine Pflicht ist, der man sich nur schwerlich entziehen kann, beweist im Folgenden ein Fall, der bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ging. Hierbei handelte es sich nicht etwa um einen Elternteil, der keinerlei Kontakt zu seinen Kindern wünschte, sondern mehr Flexibilität in der Form der Umgangsregelung. Warum aber selbst dies nicht einfach ist, lesen Sie hier.
Der Vater dreier Söhne sah nach der Trennung ein Problem darin, immer mit allen drei Kindern gleichzeitig Umgang zu haben. Seine Wohnung sei nicht groß genug und er sei nicht so belastbar. Seine neue Ehefrau empfinde die lautstarken Streitereien der Kinder zudem als Zumutung. Beim Familiengericht (FamG) wurde er damit nicht gehört. Es sei nicht im Sinne der Kinder, Sonderrollen und Stigmatisierungen zu erleben, wenn sie für den Umgang mit dem Vater getrennt würden. Die Geschwisterbeziehung sei normal. Das FamG ordnete daher einen Umgang alle zwei Wochen von Samstagvormittag bis Sonntagnachmittag und in der Hälfte der Ferien an. Eine Wochenendübernachtung sei ihm auch mit den drei Kindern zumutbar, und zur Entlastung der Mutter bedürfe es der Ferienregelung. Er könne sich bezüglich der Erziehungsschwierigkeiten beim Jugendamt beraten lassen und in den Ferien auf Betreuungsangebote der Schule oder anderer Anbieter zurückgreifen.
Als der Vater auch beim Oberlandesgericht nichts anderes erreichen konnte, wandte er sich an das BVerfG. Er sah sein Persönlichkeitsrecht, sein Elternrecht und Rechte der Kinder durch den erzwungenen Umgang verletzt. Das BVerfG setzte sich damit auseinander, ob man einen unwilligen Elternteil überhaupt zum Umgang zwingen kann und ob ein mit Zwangsmitteln erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen könne. Bereits 2008 hatte es eine BVerfG-Entscheidung dazu gegeben, dass Eltern Verantwortung für ihre Kinder haben (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz), und die den Umgang mit dem Kind zur elterlichen Pflicht erhebt (§ 1684 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Umgang trage in der Regel zur gedeihlichen Persönlichkeitsentwicklung der Kinder bei. Allerdings sei zu prüfen, ob ein erzwungener Umgang dazu führe, dass nur die körperliche Anwesenheit des Elternteils zu erwarten sei, nicht aber seine emotionale Zuwendung. Denn wenn ein Kind Ablehnung und Widerwillen spüre, sei das nicht gut für sein Selbstwertgefühl. Daraus hatte das BVerfG in dem früheren Fall den Grundsatz abgeleitet, dass ein durch die Androhung von Zwangsmitteln herbeigeführter Umgang grundsätzlich nicht kindeswohldienlich sei.
Hier aber lag es anders: Der Vater lehnte die Kinder nicht ab und hatte keinen Widerwillen gegen die Kinder, ihm gefiel nur die konkrete Regelung nicht. Es sei auch nicht vorwegzunehmen, ob der Umgang wirklich mit Zwangsmitteln durchgesetzt oder ob der Vater sich mit dem Ergebnis doch arrangieren werde. In einem Zwangsmittelverfahren werde die konkrete Sachlage erneut geprüft. Seine Verfassungsbeschwerde wurde daher verworfen.
Hinweis: Soweit der Vater auch die Verletzung von Grundrechten der Kinder vorbrachte, wurde dies nicht geprüft, denn bei gemeinsamem Sorgerecht konnte er dies nicht ohne Mitwirkung der Mutter.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 17.02.2022 - 1 BvR 743/21
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Wenn Eheleute Gütertrennung vereinbaren, möchten sie im Scheidungsfall ihr Vermögen nicht teilen. Konfliktstoff gibt es aber, wenn es private Rentenversicherungen gibt, die nicht dem Zugewinnausgleich, sondern dem Versorgungsausgleich unterfallen. Diese Feinheiten werden vielen Eheleuten erst klar, wenn sie im Rahmen des Scheidungsverfahrens anwaltlich beraten werden und - wie in diesem Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) - vor den Richtern landen.
Ein Mann hatte 34.000 EUR in einer solchen Versicherung angelegt, die beim Versorgungsausgleich an die Frau übertragen worden wären. Nach Zustellung des Scheidungsantrags übte er aber das Kapitalwahlrecht aus. Diesen taktischen Kniff verfolgte er mit dem Ziel, das Kapital nicht beim Versorgungsausgleich teilen zu müssen. Das klappte auch, denn der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2012 entschieden, dass private Rentenversicherungen dann nicht mehr dem Versorgungsausgleich unterliegen, wenn das Kapitalwahlrecht ausgeübt wurde - auch wenn das erst im Lauf des Scheidungsverfahrens erfolgt. Die Frau argumentierte nun aber, dass die Ausübung des Kapitalwahlrechts "treuwidrig" gewesen sei. Damit war die Billigkeitsvorschrift des § 27 Versorgungsausgleichsgesetz zu prüfen.
Das OLG nahm dieses "Gerechtigkeitskorrektiv" zur Hand. In Fällen der Entziehung eines Versorgungsanrechts verbiete die Teilhabegerechtigkeit eine schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt das treuwidrige Verhalten des auf sein Versorgungsanrecht einwirkenden Ehegatten nicht darin, dass er sein Anrecht dem Versorgungsausgleich entzogen hat, sondern darin, dass er gleichwohl in unverminderter Höhe an den Anrechten des anderen Ehegatten teilhaben will. An das Kapital aus der privaten Rentenversicherung kam man nicht mehr dran. Aber es erschien unbillig, dass der Mann aus der gesetzlichen Rente der Frau etwas bekommen sollte. Leider steckte dort nur ein Kapital von 19.000 EUR, das der Mann nicht übertragen bekam - unterm Strich hat ihm sein Handeln also doch einen erheblichen Vorteil verschafft. Das wäre anders gewesen, wenn die Frau 34.000 EUR oder mehr Kapital in ihrer Rente gehabt hätte.
Hinweis: Für diese Billigkeitskorrektur ist es nicht relevant, dass der Ausgleichsberechtigte nicht ausreichend abgesichert ist oder dass der Pflichtige besonders stark auf das Behalten seiner Anrechte angewiesen ist. Es geht darum, die gleichberechtigte Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu ermöglichen.
Quellen: OLG Hamm, Beschl. v. 28.04.2022 - 5 UF 210/21
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Namen sind bei weitem mehr als einfach nur Schall und Rauch. Sie geben (Ver-)Bindungen nach außen hin klar zum Ausdruck - und dies nicht immer zum Vorteil der Namensträger. Wie es sich damit verhält, wenn ein Heranwachsender eine derartige Bindung lieber mit dem stiefväterlichen Namen zum Ausdruck bringen möchte statt mit dem ihm bei Geburt gegebenen Namen seines Vaters, zeigt das folgende Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG).
Ein 15-Jähriger trug den Nachnamen seines Vaters, lebte aber mit seiner Mutter und deren Ehemann zusammen, die einen anderen gemeinsamen Familiennamen trugen. Zu seinem Vater hatte der Junge keinen Kontakt, der Vater hatte auch kein Sorgerecht. Mutter und Sohn beantragten nun eine "Einbenennung" des 15-Jährigen in den Stieffamiliennamen. Das Jugendamt stimmte zu, der Vater beteiligte sich am Verfahren beim Amtsgericht (AG) nicht. Die Rechtspflegerin ersetzte daraufhin seine Zustimmung zur Namensänderung. Der Vater legte dann aber Beschwerde ein.
Das OLG gab die Akte zurück zum AG: Dessen Verfahren leide an mehreren wesentlichen Mängeln. Das AG hätte den Sachverhalt mehr aufklären müssen und auf die persönliche Anhörung des Vaters nicht verzichten dürfen. Zudem sei die Integration in die Stieffamilie zwar ein wichtiger Kindesbelang - allerdings sei die Kontinuität des Namens ein Gesichtspunkt, der noch lange über die aktuelle familiäre Situation andauere. So sei relevant, dass der Junge eine jüngere Halbschwester habe, die auch den Nachnamen des Vaters trage. Gerade wenn ein Kind zu dem Elternteil, dessen Namen es trage, keinen oder wenig Kontakt habe, komme das Ablegen des Namens einer nach außen sichtbaren Ablösung gleich. Wenn das Kind den dringenden Wunsch nach dieser Ablösung habe, sei es Aufgabe des erziehenden Elternteils, dem Kind die Gründe für die Namensverschiedenheit und die in der Namensführung zum Ausdruck kommende Verbundenheit mit dem anderen Elternteil zu erklären. Besteht zu diesem seit Längerem kein Kontakt, sei auch zu prüfen, ob der sorgeberechtigte Elternteil seiner Aufgabe gerecht werde, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu fördern.
Hinweis: Für die Einbenennung reicht es nicht, dass eine Namensänderung zweckmäßig ist oder dass es Gründe gibt, die für eine Einbenennung in die neue Familie sprechen. Bei der Gesetzesformulierung wurde aus "dem Kindeswohl dienlich" ein "für das Kindeswohl erforderlich" - eine hohe Hürde. Die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils kann durch das Gericht erst dann ersetzt werden, wenn konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährden, und die Einbenennung daher unerlässlich ist, um Schäden von dem Kind abzuwenden. Das wird nur ausnahmsweise der Fall sein.
Quelle: Saarländisches OLG, Beschl. v. 05.05.2022 - 6 WF 54/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Wenn Eheleute sich trennen, ist ein häufiger Konfliktpunkt die Frage, wer in der ehelichen Wohnung verbleiben darf. Wer Eigentümer oder Mieter ist, spielt bei der Beantwortung eher eine Nebenrolle, denn eine "Ehewohnung" wird nach Billigkeitskriterien zugewiesen. So war es auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Hier waren die Eheleute bereits geschieden und teilten sich die Nutzung der 130 m2 großen Wohnung, die beiden jeweils hälftig gehörte, immer noch. Die Besonderheit war hier, dass beide bereits querschnittsgelähmt waren, als sie heirateten, und sich die Wohnung entsprechend behindertengerecht eingerichtet hatten.
Sowohl das Amtsgericht als auch das OLG entschieden, dass die Frau ausziehen müsse, und das OLG gab ihr dafür auch nur noch ein halbes Jahr Zeit. Für die Zuweisung an den Mann sprach letztlich, dass es sich um sein Elternhaus gehandelt hatte, er dort schon vor dem Einzug der Frau gewohnt hatte und an diesem Ort verwurzelt sei. Sein Bruder wohne ebenfalls im Haus. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Mann eine in seiner Nähe wohnende Lebensgefährtin habe. Trotz seiner besseren wirtschaftlichen Verhältnisse sei er damit stärker auf die Nutzung der Ehewohnung angewiesen als die Frau, die insbesondere nicht über vergleichbar intensive Bindungen im Ort verfüge.
Hinweis: Die Entscheidung zeigt, dass es im Einzelfall auf derartige Details ankommt. Darauf, dass auch Geld der Frau in der Wohnung steckte, kam es für die Frage ihres Auszugs nicht an. Die Miteigentumsgemeinschaft wird nicht durch das Familiengericht aufgelöst, sondern notfalls durch Teilungsversteigerung. Bis dahin wird der Mann Nutzungsentschädigung zahlen müssen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.05.2022 - 6 UF 42/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Zum Thema Mietrecht
- Beschaffenheit der Wohnung: Eigenleistungen gehen in die Bestimmung des Werts einer Wohnung mit ein
- Darlegungslast: Nur klar belegte Umsatzeinbußen können zur coronabedingten Mietminderung führen
- Renovierungsmaßnahmen und Nutzungsausfall: Folgekosten nach Beschlagnahme von Wohnungen für Geflüchtete
- Undichte Duschabtrennung: Kosten für Abnutzungserscheinungen einer Wohnung haben Vermieter zu tragen
- Verbleib persönlicher Gegenstände: Einzimmerwohnung ist tauglicher Gegenstand der Gebrauchsüberlassung eines Wohnraumteils
Will der Vermieter eine Mieterhöhung durchsetzen, muss er sie gut begründen. Doch auf welche Bestandteile der Wohnung darf er sich dabei beziehen? Einen erheblichen Aspekt hat das Amtsgericht Hamburg (AG) im folgenden Fall eines Mieterhöhungsbegehrens festgemacht: die Beschaffenheit der Wohnung zum Mietbeginn.
Seit über 30 Jahren bestand ein Mietverhältnis. Nun sollte die Miete mit Begründung auf den Hamburger Mietspiegel erhöht werden. Der Mieterhöhung sollte die Mieterin zustimmen, was diese jedoch nicht tat. Und auch die Klage der Vermieterin bleib erfolglos.
Denn die Wohnung war bei Einzug in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand übergeben worden. Eine Bewohnbarkeit war nahezu vollständig ausgeschlossen. Das Badezimmer und die Küche waren nicht benutzbar, die Bodenbeläge nicht mehr gebrauchstauglich und die Deckenkonstruktionen mit Müll befüllt. Die Wände mussten teilweise ausgebessert werden. Das AG war der Auffassung, dass als Teilaspekt der Beschaffenheit einer Wohnung deren allgemeiner baulich-dekorativer Zustand bei der Bestimmung des Wohnwerts zu berücksichtigen sei. Dabei haben solche baulich-dekorativen Verbesserungen, die der Mieter auf eigene Kosten vorgenommen hat, für ein Mieterhöhungsbegehren außer Betracht zu bleiben. Diese können nicht zur Rechtfertigung eines höheren Mietwerts herangezogen werden. Deshalb musste keine Zustimmung zur Mieterhöhung erteilt werden.
Hinweis: Die Durchsetzung einer Mieterhöhung ist sicherlich kein Buch mit sieben Siegeln, aber sie muss absolut korrekt ablaufen. Das ist wichtig für den Vermieter und für den Mieter. Bei Bedarf sollte sich der Vermieter bereits vor der Durchführung einer Mieterhöhung an einen Rechtsanwalt wenden. Selbstverständlich kann ein Mieter eine Mieterhöhung ablehnen - aber auch das sollte nicht einfach so ohne weiteren rechtlichen Rat erfolgen.
Quelle: AG Hamburg, Urt. v. 24.02.2022 - 48 C 240/20
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Die Möglichkeit der Mietanpassungen aufgrund von Schließungen durch die Corona-Pandemie haben bei vielen Gewerbemietern für Erleichterung gesorgt. Doch ist es im Recht oft so, dass eine Schlagzeile noch keinen Anspruch macht, sondern man in die Tiefe der Einzelfälle eintauchen muss. Das tat in diesem Fall das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Dass da jedoch nicht so tief zu tauchen war, lag an der Klägerin selbst. Und wer hier regelmäßig nachliest, ahnt, was das zur Folge hatte.
Eine Mieterin hatte Gewerberäume für eine Kleiderreinigung angemietet. Wegen der Corona-Pandemie fanden dann viele berufliche und private Veranstaltungen nicht mehr statt, so dass weniger Menschen Kleidung reinigen ließen. In der Folge kam es bei der Mieterin zu einem deutlichen Umsatzeinbruch. Von April bis Juli 2020 zahlte sie deshalb keine Miete mehr. Der Vermieter klagte die Zahlungen ein - und in diesem Fall mit Erfolg.
Zwar können auch mittelbare Auswirkungen der Corona-Pandemie und insbesondere die staatlichen Schließungsmaßnahmen einen Anspruch auf Anpassung des Mietzinses begründen. Allerdings hätte hier die Mieterin wesentlich mehr vortragen müssen, weshalb sie nicht in der Lage war, die Miete zu zahlen. Sie hätte Zahlen zu den allgemeinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebs, der Inanspruchnahme staatlicher Hilfsleistungen und Ähnlichem liefern müssen. Dann wäre unter Umständen eine Anpassung des Mietzinses in Betracht gekommen.
Hinweis: Wer also als Gewerbemieter seine Miete zurückfordern möchte, kann das tun. Es sind jedoch erhebliche Voraussetzungen an die Darlegungslast gestellt. Ein solches Vorgehen sollte nur unter Begleitung eines Rechtsanwalts erfolgen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.02.2022 - 2 U 138/21
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Nicht erst seit dem aktuellen Flüchtlingsaufkommen sind einige Städte und Gemeinden dazu übergegangen, Wohnraum zu beschlagnahmen. Auch 2015 wurde dieses Prozedere angewendet. Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) musste im folgenden Fall jedoch klare Grenzen setzen, an die sich auch Städten und Gemeinden zu halten haben, was Folgekosten der vorübergehenden Nutzung angeht.
Eine Eigentümerin hatte ein Gebäude im Jahr 2013 errichtet. Im April 2015 einigten sich die Vermieterin und die Stadt anlässlich der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 auf eine entgeltliche Unterbringung von Flüchtlingen in den sechs Wohnungen. Die Wohnungen wurden beschlagnahmt. Nach dem Auszug der Bewohner befand sich das Objekt dann jedoch in einem stark abgewohnten und teilweise zerstörten Zustand. Die Renovierungskosten beliefen sich auf 293.000 EUR, die die Stadt bezahlte. Weitere knapp 290.000 EUR sollten als Nutzungsentschädigung für die Zeit bis zur Beendigung der Renovierungsarbeiten gezahlt werden. Als die Stadt nicht freiwillig zahlte, wurde sie von der Eigentümerin des Gebäudes verklagt. Die Gebäudeeigentümerin erhielt ihr Geld.
Es ist laut OLG damit zu rechnen, dass die Wohnungen nach der Nutzung als Erstunterkunft zur Unterbringung von Flüchtlingen einer grundlegenden Instandsetzung bedürfen. Das sei regelmäßig die Folge einer besonders intensiven Nutzung. Zudem sei davon auszugehen, dass Sorgfaltspflichten im Umgang mit der Wohnung und ihrem Inventar nicht immer eingehalten würden. Da die Renovierungsmaßnahmen üblicherweise erst nach Beendigung der Unterbringung und vor einer neuen Vermietung erfolgen können, ist auch das Risiko eines Mietausfallschadens zu ersetzen. Dieser Mietausfallschaden umfasst in der Regel die ortsübliche Vergleichsmiete für Mietwohnungen.
Hinweis: Die Beschlagnahme von Wohnraum ist an enge gesetzliche Voraussetzungen geknüpft. In der Regel hat der Staat erst alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen, wie beispielsweise die Unterbringung von Geflüchteten in Turnhallen und Ähnlichem.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 02.03.2022 - 11 U 84/21
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Der Streit um eine Mietwohnung beginnt häufig erst dann, wenn das Mietverhältnis zu Ende geht. Zu diesem Zeitpunkt werden die Mietverträge herausgeholt und geprüft, wer welche Pflichten hatte. Das Amtsgericht Hamburg (AG) war im Folgenden damit beauftragt, die Folgen einer undichten Duschkabine rechtskonform auszuloten, und musste dafür etwa nicht in den Mietvertrag, sondern schlicht und ergreifend ins Gesetz schauen.
Aus der Dusche einer Mietwohnung trat Wasser aus und lief über den Flur bis zum Schlafzimmer auf das Parkett. Nach Beendigung des Mietverhältnisses ließ die Vermieterin das Parkett reparieren sowie Arbeiten an der Trennwand, der Dusche und der Küche vornehmen. Die Kosten zog sie von der Kaution ab und verlangte darüber hinaus weit über 10.000 EUR. Das Geld stand ihr jedoch nicht zu, wie das AG urteilte.
Dem Mietrecht lässt sich der Grundsatz entnehmen, dass der Vermieter nicht erwarten kann, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses in gleichem oder gar verbesserten Zustand zurückzuerhalten. Vielmehr trägt der Vermieter die mit vertragsgemäßer Nutzung einhergehenden Abnutzungen auf eigene Rechnung, weil diese durch die Mietzahlung abgegolten sind. Die Mieterin hatte vorgetragen, dass die Schäden auf einen mehrfachen Wasseraustritt zurückzuführen seien, der durch eine verkalkte, zerbrochene und daher undichte Dichtungslippe der Duschabtrennung zurückzuführen sei. Als Mangel fällt ein solcher Zustand der Duschkabine jedoch gerade in den Verantwortungsbereich des Vermieters. Hingegen entbehrte die von der Vermieterin vorgetragene Einschätzung, wonach die Undichtigkeit der Duschabtrennung auf mangelnde Pflege durch den Beklagten zurückzuführen sei, schon wegen der kurzen Mietdauer jeglicher Grundlage. Der Mieter haftet letztlich nicht für die Folgen vertragsgemäßen Gebrauchs und schuldet bei Auszug keine Grundreinigung.
Hinweis: Mieter haften gerade nicht für die normalen Abnutzungserscheinungen in einer Wohnung. Denn die Kosten dafür hat nach dem Gesetz grundsätzlich der Vermieter zu tragen.
Quelle: AG Hamburg, Urt. v. 25.03.2022 - 48 C 483/19
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Untervermietungen sind zwischen Mietparteien immer wieder Anlass gerichtlicher Streitigkeiten. Hier ging es um die teilweise Untervermietung einer Einzimmerwohnung. Da fragen sich womöglich selbst die Bescheidenen unter uns, wie ein Zimmer noch teilbar sei, um eine ordentliche Untervermietung unter Wahrung von Privatsphäre rechtfertigen zu können. Das Landgericht Berlin (LG) wusste darauf eine Antwort - und zwar etwa nicht mithilfe eines Einrichtungskatalogs, sondern dank des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
Ein Mann plante, für anderthalb Jahre im Ausland zu arbeiten, und wollte aus diesem Grund einen Teil seiner angemieteten Einzimmerwohnung untervermieten. Warum nur einen Teil des ohnehin knappen Wohraums? Ganz einfach: In seiner Wohnung verblieben nicht nur seine persönlichen Gegenstände, er behielt zudem noch einen Schlüssel. Die Vermieter verweigerten dem Mann jedoch die Untervermietung, wogegen dieser vor Gericht zog.
Und tatsächlich stand dem Mieter vor dem LG ein Anspruch auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung gegenüber den Vermietern zu - er dürfe also untervermieten. Eine Einzimmerwohnung kann nämlich durchaus ein tauglicher Gegenstand der Gebrauchsüberlassung eines Teils des Wohnraums im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB sein. Es genügt, wenn der Mieter einen Bereich in der Wohnung behält, in dem er seine in der Wohnung belassenen persönlichen Gegenstände lagert. Das gilt erst recht, wenn er noch im Besitz eines Schlüssels bleibt.
Hinweis: Die Vermieter konnten sich wegen der nicht höheren Belegung der Wohnung auch nicht auf zusätzliche Aufwendungen wie etwa eine stärkere Abnutzung berufen. Es durfte nach Ansicht des LG sogar offenbleiben, ob die Untermiete die Bruttowarmmiete geringfügig überschreitet, da ein solcher Zuschlag angesichts der Nutzung der nahezu gesamten auch mit Möbeln des Klägers ausgestatteten Wohnung angemessen erscheint.
Quelle: LG Berlin, Urt. v. 07.04.2022 - 67 S 7/22
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Zum Thema Sonstiges
- BGH sieht "rechtliche Unmöglichkeit": Beiträge für Fitnessstudios müssen für Zeit der coronabedingten Schließungen erstattet werden
- Für EU-Luftfahrtunternehmen geflogen: Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen haftet bei Verspätungen nach EU-Fluggastrechteverordnung
- Hotel zum Abheben: Wer störenden Fluglärm im Urlaubshotel nicht exakt festhält, kann leer ausgehen
- Kleindemo zum Ukrainekonflikt: Berliner Verwaltungsgericht genehmigt Flaggen und Musik für halbstündige Versammlung
- Transportkosten zur Mängelbeseitigung: Vorschusskosten können nur verlangt werden, wenn der Verkäufer selbst keinen Transport anbietet
Während der Pandemie war es auch Kunden von Fitnessstudios nicht möglich, überschüssige Energie loszuwerden - die Tempel der körperlichen Ertüchtigung blieben wie so vieles geschlossen. Zu der Frage, was mit den eingezogenen Mitgliedsbeiträgen dieser Zeit passiert und ob man sich auch hier womöglich mit Gutscheinen abspeisen lassen muss, hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich eine Antwort gegeben.
Ein Mann schloss mit einem Fitnessstudio einen Vertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten, beginnend ab Ende 2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag, der im Lastschriftverfahren eingezogen wurde, betrug 29,90 EUR nebst einer halbjährigen Servicepauschale. Aufgrund der COVID-19-Pandemie musste das Fitnessstudio in der Zeit vom 16.03.2020 bis 04.06.2020 schließen. Die Monatsbeiträge zog es jedoch weiterhin ein. Der Mann verlangte dann die Beiträge zurück. Er erhielt aber nur eine "Gutschrift über Trainingszeit" für den Zeitraum der Schließung. Dieses Angebot nahm der Mann nicht an, sondern klagte - und zwar mit Erfolg.
Der Mann erhielt sein Geld zurück. Denn in Augen des BGH lag ein Fall einer sogenannten rechtlichen Unmöglichkeit vor, da ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden konnte. Übersetzt heißt das, dass es während des Zeitraums, in dem das Fitnessstudio schließen musste, rechtlich unmöglich war, dem Mann die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren. Damit erfüllte das Fitnessstudio auch seine Hauptleistungspflicht nicht und konnte entsprechend keine Gegenleistung in Form der Zahlung der Monatsraten erwarten.
Hinweis: Zahlt der Betreiber des Fitnessstudios nicht freiwillig, sollten Sie einen Rechtsanwalt aufsuchen, der die Forderung einzieht.
Quelle: BGH, Urt. v. 04.05.2022 - XII ZR 64/21
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Ist ein Flug verspätet, muss die Airline den Reisenden ab einer gewissen Verspätungsdauer eine Entschädigung zahlen. Was jedoch für Airlines gilt, die nicht aus der EU stammen, musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun auf Veranlassung eines belgischen Gerichts klären.
Drei Fluggäste buchten über ein Reisebüro der Lufthansa einen Flug von Brüssel in die USA. Der gesamte Flug, der in Brüssel (EU) startete und in San Jose (Nicht-EU) endete, wurde von United Airlines durchgeführt, einem in den USA ansässigen Luftfahrtunternehmen. Die drei Fluggäste erreichten ihr Endziel mit einer Verspätung von fast vier Stunden. Die Fluggäste traten ihre Rechte an ein Unternehmen ab, das bei einem belgischen Gericht Klage auf Zahlung einer Ausgleichsleistung gegen United Airlines einreichte.
Das belgische Gericht fragte nun den EuGH zur Anwendbarkeit der Verordnung auf eine solche Flugverbindung zwischen Drittstaaten. Der EuGH war eindeutiger Auffassung: Fluggäste eines verspäteten Flugs können von einem Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichsleistung verlangen, wenn dieses Unternehmen den gesamten Flug im Namen eines EU-Luftfahrtunternehmens durchgeführt hat - und das war in diesem Fall im Namen der Lufthansa, mit der die Reisenden den Beförderungsvertrag geschlossen hatten, geschehen.
Hinweis: Trotz des Urteils haben Kunden stets bessere Möglichkeiten, ihre Rechte durchzusetzen, wenn sie mit Airlines fliegen, deren Sitz in der EU liegt.
Quelle: EuGH, Urt. v. 07.04.2022 - C-561/20
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Reisetagebücher sind in ihrer klassischen Form nahezu ausgestorben. Womöglich hätte es dem Kläger im folgenden Fall geholfen, auf die zeitgeistige Alternative der sozialen Medien zurückzugreifen. Dann hätte er vielleicht mehr Glück mit seinem Anliegen gehabt. Doch ohne Handfestes kann auch ein Bundesgerichtshof (BGH) nur wenig machen, wenn die schönste Zeit des Jahres zur schlaflosen Angelegenheit geworden ist.
Es ging um eine 14-tägige Reise mit Hotelaufenthalt auf der Insel Kos im Wert von über 5.000 EUR. Der Mann, der die Reise gebucht hatte, hatte mehrere Reisemängel gerügt, unter anderem beschwerte er sich über immensen nächtlichen Fluglärm und wollte dafür den Reisepreis rückerstattet erhalten.
Das sah der BGH allerdings etwas differenzierter. Beruft sich der Reisende zur Begründung eines Reisemangels darauf, dass nachts mehrmals pro Stunde Flugzeuge in niedrigem Abstand über das von ihm gebuchte Hotel geflogen seien, kann das die Veranstalterin schlicht und ergreifend bestreiten. Die Folge: Der Kläger muss nun genau darlegen, wann welches Flugzeug gegebenenfalls in welcher Lautstärke über das Hotel geflogen ist. Denn angesichts des nicht näher konkretisierten Vorbringens des Klägers war die Reiseveranstalterin nicht gehalten, eben jene vagen Vorwürde konkret zu widerlegen. Die Reiseveranstalterin musste hierbei auch keine weiteren Informationen einholen, denn schließlich hatte sie unter diesen Umständen keine näheren Kenntnisse der Vorkommnisse. Zwar ging der Kläger nicht gänzlich leer aus, da die weiteren Mängel (unter anderem Zimmerausstattung) nicht von der Hand zu weisen waren, doch die gesamte Rückerstattung wird er (von der über die Kosten entscheidenden Vorinstanz) nicht erhalten können.
Hinweis: Reisemängel sollten unbedingt vor Ort gerügt werden. Die Beweise sind, so gut es geht, zu sichern, am besten mit einem Smartphone.
Quelle: BGH, Urt. v. 08.02.2022 - X ZR 97/20
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Immer wieder gibt es Demonstrationen mit Bezug auf den Ukrainekrieg. Behörden verbieten dann gerne das Zeigen von Flaggen. Dass es so einfach aber nicht geht und auch in diesen Zeiten das kluge Augenmaß angewendet werden sollte, zeigt der folgende Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin (VG) im Fall einer für Berliner Verhältnisse sehr kleinen Demonstration außerhalb des Stadtzentrums.
Ein Mann hatte im Mai 2022 eine kleine halbstündige Versammlung von 21:30 bis 22 Uhr mit wenigen Teilnehmern vor dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst angezeigt. Nach einer Allgemeinverfügung der Polizei Berlin waren aber unter anderem das Zeigen von Fahnen und Flaggen mit ukrainischem Bezug und das Abspielen und Singen ukrainischer Marsch- bzw. Militärlieder in verschiedenen Bereichen verboten worden. Hierzu zählte auch das Umfeld des Museums in Karlshorst. Dagegen zog der Mann mit einem Eilantrag vor Gericht.
Das VG hat dem Antrag des Mannes stattgegeben. Auf einer kleinen Versammlung dürfen Fahnen und Flaggen mit ukrainischem Bezug gezeigt und ukrainische Marsch- bzw. Militärlieder gespielt werden. Hierbei fielen die geringe Teilnehmerzahl und die kurze Dauer zu einer Tagesrandzeit ins Gewicht. Zudem sei kein zentral gelegener Ort für die Veranstaltung gewählt worden.
Hinweis: Die Entscheidung war bei Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftig. Vieles spricht jedoch dafür, dass sie richtig ist. Auch und insbesondere Behörden müssen ihr Ermessen ordnungsgemäß ausüben.
Quelle: VG Berlin, Beschl. v. 09.05.2022 - VG 1 L 172/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Vielen Menschen erscheint die Tatsache, dass Tiere in Rechtsfragen oftmals als Sachen behandelt werden, als schiere Unmöglichkeit. Das folgende Urteil, das der Bundesgerichtshof (BGH) zu fällen hatte, macht jedoch klar, dass genau diese Betrachtungsweise rechtliche Klarheit verschafft. Die "Sache", um die es sich hierbei handelte, hatte vier Hufe und sollte wegen einer "Mängelbeseitigung" transportiert werden.
Eine Frau kaufte als Verbraucherin - also privat und nicht gewerblich - einen fünf Jahre alten Oldenburger Wallach zum Kaufpreis von 12.000 EUR. Sie rügte dann mehrfach ein sogenanntes Zungenstrecken des Pferdes und forderte vom Verkäufer unter Fristsetzung eine sogenannte Mängelbeseitigung. Der Verkäufer erklärte sich mehrfach zur Nachbesserung bereit und bot an, das Pferd abzuholen. Die Frau lehnt jedoch eine Herausgabe des Pferds ab. Stattdessen forderte sie von ihm die Zahlung eines Transportkostenvorschusses in Höhe von 1.200 EUR, da sie den Transport selbst durchführen wollte. Als der Vorschuss nicht gezahlt wurde, klagte die Frau - dies allerdings vergeblich.
Erfordert die Nacherfüllung einen Transport der Kaufsache und fallen beim Käufer hierfür Transportkosten an, kann er im Fall eines Verbrauchsgüterkaufs schon vorab einen Vorschuss verlangen. Ein solcher Anspruch steht dem Verbraucher allerdings laut BGH grundsätzlich dann nicht zu, wenn der Verkäufer zu einer für den Verbraucher unentgeltlichen Abholung der Kaufsache bereit ist.
Hinweis: Dieses Urteil gilt natürlich nicht nur für ein Pferd, sondern betrifft sämtliche Kaufgegenstände. Fallen für einen Käufer bei einem Mangel Transportkosten an, kann er sich bei Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs einen Vorschuss vom Verkäufer zahlen lassen.
Quelle: BGH, Urt. v. 30.03.2022 - VIII ZR 109/20
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2022)
Kurzübersicht Ahls-Anwälte
Sozietät
Für die Sozietät sind sechs Rechtsanwälte tätig. Vier der Rechtsanwälte haben ihren Kanzleisitz in Steinheim, die übrigen in Warburg. Auf Anfrage beraten sämtliche Anwälte an allen Standorten. Mehr erfahren
Rechtsgebiete
Wir stehen Ihnen bei allen Rechtsfragen zur Verfügung. Wir führen für Sie Prozesse, vertreten Sie in Schiedsverfahren und beraten Sie außergerichtlich. Die Schwerpunkte unserer Tätigkeit liegen in den aufgeführten Rechtsgebieten. Mehr erfahren
Service
Hier erhalten Sie vorgefertigte Dokumente als PDF Version. zum Downloadbereich