Aktuelles
News
Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Arbeitsrecht
- Ausschluss bei Krankheit: Inflationsausgleichsprämie kann als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung gestaltet werden
- Außertarifliches Gehalt: Selbst ein geringer Abstand zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe genügt den Anforderungen
- Betriebliche Arbeitspausen: Flexible Festlegung der Pausen bei entsprechend betrieblichen Erfordernissen möglich
- Dienstkleidungsvorgaben: Umkleidezeiten sind trotz Krankheit und Urlaubs zu bezahlen
- Unangemessene Benachteiligung: Mainzer Arbeitsgericht kippt nach EuGH-Urteil die Klagefrist für Schwangere
Die Inflation trifft uns alle. Und besonders in der Arbeitswelt ist eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern nur in seltenen Fällen gestattet, und zwar nur dann, wenn es dafür nachvollziehbare Gründe gibt. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) musste prüfen, ob dazu auch gehört, Arbeitnehmer von der Inflationsausgleichsprämie ausnehmen zu dürfen, wenn sie im gesamten Jahr arbeitsunfähig erkrankt waren.
Ein Arbeitnehmer war im gesamten Jahr 2023 arbeitsunfähig erkrankt. Andere Arbeitnehmer erhielten mit der Vergütung für März 2023 von der Arbeitgeberin eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.500 EUR netto. Der Arbeitnehmer war nun der Auffassung, ihm stehe auch eine Zahlung zu, und klagte - vergeblich.
Eine Inflationsausgleichsprämie kann nach Auffassung des LAG als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung ausgestaltet werden. Das hatte die Arbeitgeberin getan und die Inflationsausgleichsprämie als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung ausgestaltet. Alle Arbeitnehmer, die "einen" Verdienst für geleistete Arbeit im Jahr 2023 erzielt hatten, waren somit anspruchsberechtigt - alle anderen, die beispielsweise das gesamte Jahr arbeitsunfähig erkrankt waren, nicht.
Hinweis: Der Arbeitnehmer hat eine Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Entscheidung richtig ist. Vor allem wird die Entscheidung auch für andere Sonderzahlungen gelten. Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber eine Sonderzahlung an die Voraussetzung knüpfen, dass in dem Zeitraum, für den die Zahlung geleistet wird, auch Arbeitsleistung erbracht wird.
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.08.2024 - 10 Sa 4/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens nehmen Arbeitnehmer aus, deren "geldwerte materielle Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten". Im Folgenden beanstandete ein außertariflich Beschäftigter, dass dieses "Überschreiten" nicht hoch genug ausfiele, und verlangte mehr Geld. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) war final gefragt.
Der Arbeitnehmer war Mitglied der IG Metall und als Entwicklungsingenieur auf Grundlage eines als außertariflich bezeichneten Arbeitsvertrags beschäftigt. Er erhielt eine monatliche Bruttovergütung von 8.212 EUR. Das Entgelt in der höchsten tariflichen Entgeltgruppe betrug - hochgerechnet auf 40 Wochenstunden - 8.210,64 EUR brutto. Der Abstand zwischen dem höchsten Tarifgehalt und dem für den Arbeitnehmer geltenden außertariflichen Gehalt betrug also 1,36 EUR. Den hielt der Entwicklungsingenieur angesichts der geltenden Regeln für zu gering und forderte eine höhere Vergütung - mit der Begründung, dass sein Gehalt einen gewissen Mindestabstand zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe aufweisen müsse.
Das BAG sah das allerdings anders. Seine Entscheidung begründete das Gericht damit, dass die im Streitfall einschlägigen tariflichen Bestimmungen verlangten, dass die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten. Die Voraussetzungen seien erfüllt. Denn aufgrund der Tatsache, dass die Tarifvertragsparteien die Höhe der Überschreitung nicht festgelegt haben, genüge nach dem Wortlaut auch ein nur geringfügiges Überschreiten des höchsten tariflichen Entgelts. Das lag hier vor.
Hinweis: Außertarifliche Arbeitnehmer haben also grundsätzlich keinen Anspruch auf einen bestimmten Mindestabstand zum höchsten Tarifgehalt. Deshalb sollten sie jährliche Gehaltsverhandlungen führen.
Quelle: BAG, Urt. v. 23.10.2024 - 5 AZR 82/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Pausenzeiten müssen nicht immer bereits zu Beginn des Arbeitstags feststehen - lediglich bei Pausenbeginn muss ein Arbeitnehmer wissen, wie lange er Erholungspause hat und somit frei über diesen Zeitraum verfügen kann. Dieser Auffassung ist jedenfalls das Bundesarbeitsgericht (BAG). Anlass für diese Konkretisierung war die Klage eines Mannes, der sich durch die Umstände seiner Pause offenbar gegängelt fühlte.
Der Arbeitnehmer war von 1988 bis Ende Mai 2022 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Er fühlte sich in seiner Pausengestaltung in der Kantine gestört und wollte diese Zeit daher vergütet bekommen - schließlich habe er sich dabei in ständiger Bereitschaft befunden. Allein die Möglichkeit, dass der dort angebrachte Monitor durch entsprechendes (stummes) Aufblinken auf eine Störung hinweisen und er von einem Vorgesetzten gebeten werden könne, die Arbeit aufzunehmen, um nach der Störung zu gucken, habe ihn in eine ständige Bereitschaft versetzt. Seine Pausen seien deshalb nur eingeschränkt erholsam.
Das BAG lehnte den Anspruch auf Vergütung eines Bereitschaftsdienstes ab. Es stellte klar, dass die Festlegung der Pausen rechtmäßig war. Denn § 4 Satz 1 Arbeitszeitgesetz verlange zwar, dass die Pausen grundsätzlich im Voraus feststehen. Verlangen die betrieblichen Erfordernisse allerdings im Einzelfall mehr Flexibilität, reiche es, wenn die Arbeitnehmer im Zweifel vor Beginn ihrer Pause wissen, dass und wie lange ihnen nun eine Ruhezeit zusteht. Auch die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe sich in einer ständigen "Hab-Acht-Stellung" befunden, wies das BAG zurück. Es argumentierte, dass der Arbeitnehmer in keiner Weise gezwungen gewesen sei, seine Mittagspause in der Kantine zu verbringen. Es sei vielmehr offensichtlich seine freie Entscheidung gewesen, denn er habe nichts Gegenteiliges dazu vorgetragen. Vielmehr habe sein Arbeitgeber klargestellt, dass der Arbeitnehmer völlig frei in seiner Entscheidung sei, wo er seine Pause verbringe. Und das muss eben nicht die betriebseigene Kantine mit den Störungsmeldermonitoren sein, wo der Arbeitgeber auch Zugriff auf die Arbeitskapazitäten habe.
Hinweis: Die Pause während der Arbeitszeit dient der Erholung. Arbeitnehmer können über ihre Pausenzeiten frei verfügen und dürfen die Zeiten frei gestalten.
Quelle: BAG, Urt. v. 21.08.2024 - 5 AZR 266/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Im Fall von Krankheit gilt das sogenannte Lohnausfallprinzip: Der Arbeitgeber muss dem erkrankten Arbeitnehmer das bezahlen, was dieser bekäme, wenn er gearbeitet hätte. Wie es unter diesem Gesichtspunkt aber mit bezahlten Umkleidezeiten aussieht, musste das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LAG) entscheiden.
Ein Rettungssanitäter war verpflichtet, bei seiner Arbeit eine spezielle Schutzkleidung zu tragen. Für das An- und Ablegen der Schutzkleidung erhielt er für jede geleistete Schicht eine pauschale Zeitgutschrift von zwölf Minuten. Der Arbeitgeber sah nicht ein, diese Zeiten bei Abwesenheit des Arbeitnehmers - ob aus Krankheits- oder Urlaubsgründen - mit Zeitgutschrift dieser zwölf Minuten zu vergüten. Deshalb verklagte ihn der Rettungssanitäter auf die Korrektur seines Arbeitszeitkontos.
Das LAG gab dem Sanitäter recht - zumindest teilweise. Es entschied, dass ihm eine Gutschrift von insgesamt mehr als zehn Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto zustehe. Gutschriften erhielt der Beschäftigte für die Zeiten gewährten Urlaubs und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Die Entscheidung begründete das Gericht mit dem anwendbaren Tarifvertrag. Dieser regelt, dass bei Abwesenheitszeiten, die der Arbeit gleichstehen (z.B. Urlaub, Krankheit), die jeweilig dienstplanmäßig vorgesehene Arbeitszeit, die auf Grundlage der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden festzulegen sei, gutzuschreiben ist. Dieser Pflicht sei der Arbeitgeber im Hinblick auf die Umkleidezeiten nicht nachgekommen. Den Anspruch auf Gutschrift weiterer geforderten Stunden hatte der Arbeitnehmer hingegen zu spät geltend gemacht.
Hinweis: Wann sind Umkleidezeiten überhaupt zu bezahlen? Das ist dann der Fall, wenn Arbeitnehmer verpflichtet sind, eine Schutzausrüstung oder eine bestimmte Dienstkleidung zu tragen.
Quelle: LAG Nürnberg, Urt. v. 16.08.2024 - 4 Sa 339/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Arbeitnehmer können nur innerhalb von drei Wochen nach Kündigungszugang eine Kündigungsschutzklage erheben. Unterschiede ergeben sich bislang dann, wenn schwangere Arbeitnehmerinnen zum Zeitpunkt der Kündigung noch nichts von ihrer Schwangerschaft wussten. Nach deutschem Recht müssen sie dann bereits binnen zwei Wochen nach entsprechender Kenntniserlangung klagen. Das Arbeitsgericht Mainz (ArbG) musste sich nun mit einer verspätet eingegangenen Kündigungsschutzklage beschäftigen.
In der Entscheidung ging es um eine Pflegehelferin, die einen auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag geschlossen hatte. Noch in der Probezeit kündigte der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis zum 21.10.2022. Erst drei Wochen nach Ablauf der Probezeit unterrichtete die Pflegehelferin den Arbeitgeber dann über ihre zwischenzeitlich festgestellte Schwangerschaft. Gleichzeitig berief sie sich darauf, dass die Kündigung damit unwirksam sei. Doch erst nach einem weiteren Monat erhob sie die entsprechende Kündigungsschutzklage. Das ArbG hatte die Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Denn nach deutschem Recht wäre die Klage als verfristet abzuweisen gewesen.
Der EuGH kam dann allerdings zum Ergebnis, dass die im Vergleich zur generell geltenden Frist um eine Woche verkürzte Klagefrist von zwei Wochen Schwangere unangemessen benachteilige, die zum Zeitpunkt der Kündigung noch nichts von ihrer Schwangerschaft wussten (Urteil vom 27.06.2024 - C-284/23). Das ArbG urteilte deshalb nun, dass betroffene Frauen überhaupt keine Klagefrist einzuhalten haben. Folglich war die Klage nicht zu spät eingereicht worden - die Kündigung wurde kassiert und die Arbeitnehmerin muss weiter beschäftigt werden.
Hinweis: Arbeitnehmer sollten möglichst binnen drei Wochen nach Zugang einer Kündigung ihre Kündigungsschutzklage erheben. Dann sind sie auf jeden Fall auf der sicheren Seite.
Quelle: ArbG Mainz, Urt. v. 10.09.2024 - 4 Ca 1424/22
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Zum Thema Erbrecht
- Erbschaftsausschlagung: Umdeutung in eine Anfechtung der Annahme
- Erbschaftsbesitzer oder nicht? Keine automatischen Auskunftsansprüche gegenüber Hausgenossen eines Erblassers
- Fiskus muss zahlen: Thüringer OLG klärt Freistaat auf, wann Berufung auf Verschweigungseinrede Gültigkeit besitzt
- Flurstück ist kein Grundstück: Erbauseinandersetzung durch Teilungsversteigerung
- Unbekannte (Mit-)Erben: Notwendigkeit der Nachlasspflegschaft muss für jeden potentiellen Erben einzeln geprüft werden
Sind Beantragung und Erhalt der sogenannten dreimonatigen Witwenrente automatisch mit einer Erbschaftsannahme gleichzusetzen? Das Oberlandesgericht München (OLG) musste die zuerst erfolgte Ausschlagung mit der parallel erfolgten Beantragung dieser Übergangsleistung abwägen.
Ein ehemaliger Zahnarzt war im Juni 2018 verstorben und zunächst von seiner Ehefrau beerbt worden. Diese hatte die Erbschaft im September 2018 dann jedoch ausgeschlagen. Zugleich hatte sie von der kassenärztlichen Vereinigung für einen Zeitraum von drei Monaten als Übergangsleistung die volle Rente des Erblassers beantragt und erhalten (sogenanntes Witwenquartal). Auf Antrag des nachberufenen Ersatzerben wurde im April 2019 ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, in dem die Erben mit Abfindungsansprüchen des ehemaligen Geschäftspartners des verstorbenen Zahnarztes konfrontiert waren.
Das OLG stellte (neben den gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen des ehemaligen Geschäftspartners) bei dieser Gelegenheit fest, dass die Erbschaftsausschlagung der Ehefrau des Erblassers im September 2018 durchaus wirksam gewesen war - und das, obwohl die Ausschlagungsfrist versäumt wurde. In der Beantragung des Witwenquartals könne man zwar durchaus eine konkludente Annahme der Erbschaft sehen. In einem solchen Fall sei jedoch die Ausschlagungserklärung in eine Anfechtung der Annahme umzudeuten. Dies sei dann möglich, wenn ein Anfechtungsgrund vorliege, beispielsweise ein Irrtum des Erben über die Zusammensetzung des Nachlasses. Anerkannt ist, dass dies insbesondere dann möglich ist, wenn der Erbe keine Kenntnis von wesentlichen Nachlassverbindlichkeiten hatte.
Hinweis: Die Verjährung von Ansprüchen im Fall einer Nachlassinsolvenz wird gehemmt durch die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren. Die reguläre Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
Quelle: OLG München, Urt. v. 13.11.2024 - 7 U 2821/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Wer Gegenstände aus einer Erbschaft in Besitz nimmt, ohne selbst Erbe zu sein, wird als "Erbschaftsbesitzer" bezeichnet und ist Erben gegenüber grundsätzlich zur Herausgabe dieses Besitzes verpflichtet. Damit der Erbe feststellen kann, ob Gegenstände unberechtigterweise im Besitz eines solchen Erbschaftsbesitzers sind, steht ihm ein Auskunftsanspruch zu. Dieser war Kern eines Rechtsstreits vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG).
Nach dem Tod des Erblassers forderte der Erbe von den Mitbewohnern des Erblassers Auskunft über den Nachlass. Diese Auskunft sollte Angaben zu den Kontobewegungen, Nachlassgegenständen und möglichen Schenkungen enthalten. Die beklagten Mitbewohner hatten bereits Jahre vor dem Erbfall ein Grundstück des Erblassers erworben und ihm in der Immobilie ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Zudem hatte der Erblasser einem der Mitbewohner eine Vorsorgevollmacht erteilt.
Nachdem das Landgericht zunächst noch teilweise einen Auskunftsanspruch anerkannt hatte, war das OLG der Ansicht, dass ein solcher Anspruch überhaupt nicht bestehe. Die Hausgenossen und Mitbewohner waren bereits vor dem Erbfall in die Nutzung und Verwaltung des Nachlasses eingebunden, was einen Auskunftsanspruch, wie er Erbschaftsbesitzern gegenüber bestünde, die den Besitz erst durch die Erbschaft erlangen, ausschließe. Zwar gebe es auch Verpflichtungen von Hausgenossen gegenüber den Erben zur Erteilung einer Auskunft. Diese beschränken sich aber nur darauf, welche erbrechtlichen Geschäfte geführt worden sind und was den Hausgenossen über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen bekannt ist. Insbesondere sind Hausgenossen nicht dazu verpflichtet, ein vollständiges Nachlassverzeichnis zu erstellen. Soweit die Hausgenossen zu einer Auskunft verpflichtet sind, waren sie dieser bereits nachgekommen.
Hinweis: Ein Anspruch auf Rechnungslegung kann nach der Entscheidung des OLG gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn ein solcher Anspruch jahrelang nicht geltend gemacht wurde. Maßgebend hierbei ist bereits die Nichtgeltendmachung durch den Erblasser.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 07.05.2024 - 3 U 90/23
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Nicht immer geht es im Erbrecht um hohe Geldbeträge, wie der Fall des Thüringer Oberlandesgerichts (OLG) zeigt. Der Freistaat Thüringen berief sich zu angefallenen Gerichtskosten von nur 35,70 EUR auf die sogenannte Verschweigungseinrede, nach der ein Nachlassgläubiger keine Erstattung seiner Forderung erhält, wenn er diese später als fünf Jahre nach dem Erbfall dem Erben gegenüber geltend macht. Mit dieser Einrede war der Freistaat jedoch nicht erfolgreich.
Nachdem der Erblasser verstorben war, hatte das Amtsgericht im Juni 2023 festgestellt, dass kein anderer Erbe als der Fiskus des Freistaats Thüringen vorhanden war. Bezüglich der Auslagen für die öffentliche Aufforderung zur Anmeldung möglicher Erbrechte am Nachlass wurden durch die Justiz gegenüber dem Freistaat im August 2023 Kosten in Höhe von 35,70 EUR geltend gemacht. Da der Erblasser zu diesem Zeitpunkt bereits vor mehr als fünf Jahren verstorben war, berief sich der Fiskus auf die gesetzliche Ausschlussfrist und war deshalb nicht willens, den geforderten Betrag zu leisten.
Das OLG entschied jedoch, dass die Ausschlussfrist in diesem Fall nicht greife, da die Forderung selbst schließlich erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist entstanden sei. Die Einrede jedoch greife nur in solchen Fällen, in denen ein Gläubiger zu lange zögert, eine ihm bekannte Forderung gegenüber dem Erben geltend zu machen. Die Beschwerde des Freistaats wurde also zurückgewiesen.
Hinweis: Die Verschweigungseinrede zeigt, dass ein Gläubiger gut daran tut, eine ihm bekannte Forderung rechtzeitig gegenüber dem Erben geltend zu machen. Der Nachlassgläubiger ist nur dann nicht mit seiner Forderung ausgeschlossen, wenn diese dem Erben gegenüber bekannt geworden ist oder sie in einem Aufgebotsverfahren angemeldet wurde.
Quelle: Thüringer OLG, Beschl. v. 25.10.2024 - 6 W 319/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Eine Teilungsversteigerung dient der Aufhebung einer Gemeinschaft durch die Verwertung einer Immobilie in einem gerichtlichen Versteigerungsverfahren und der anschließenden Verteilung des Erlöses. Sie kann daher ein Mittel sein, eine Erbengemeinschaft auch zwangsweise auseinanderzusetzen. So war es auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der entscheiden musste, ob ein Miteigentümer 1/14 eines Grundstücks teilversteigern lassen dürfe.
Das gesamte Grundstück der hier relevanten Erbengemeinschaft bestand aus 14 Flurstücken. Ein Miteigentümer einer Erbengemeinschaft beantragte zur Vorbereitung der Nachlassteilung nun die Anordnung einer Teilungsversteigerung eines einzelnen Flurstücks. Beide Vorinstanzen waren der Ansicht, dass eine solche Teilungsversteigerung nur eines einzelnen Flurstücks nicht möglich sei, und verwiesen den Rechtsstreit an den BGH.
Der BGH bestätigte die Rechtsansichten der Vorinstanzen. Eine Teilungsversteigerung diene der Aufhebung der Gemeinschaft des gesamten Grundstücks. "Grundstück" sei im rechtlichen Sinne aber eine Einheit, die im Grundbuch unter einer laufenden Nummer eingetragen sei. Ein Flurstück hingegen sei nur ein vermessungstechnischer Begriff und keine eigenständige Einheit im Grundbuch. Der BGH wies den Antrag auf Einleitung der Teilungsversteigerung damit zurück.
Hinweis: Die Teilungsversteigerung dient nicht dem Zweck der Aufteilung des Grundstücks, sondern der Aufhebung der Gemeinschaft. Dies hinderte die Eigentümer nicht daran, bei Einverständnis der Beteiligten das Grundstück im Vorfeld in eigenständige Grundstücke - mit einer jeweils neuen Grundbuchblattnummer - zu unterteilen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 26.09.2024 - V ZB 8/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter noch unbekannter Erben muss den Nachlass bis zur Ermittlung der Erben sichern und verwalten. Im Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) war von zwei potentiellen Erben von einem nicht bekannt, ob er die Erbschaft ausschlage oder überhaupt Kenntnis von dem Erbfall habe. Das Amtsgericht (AG) hatte eine Nachlasspflegschaft über den gesamten Nachlass eingelegt. Hiergegen wendete sich die Miterbin mit einer Beschwerde.
Das OLG stellte in seiner Entscheidung klar, dass eine Überprüfung der Notwendigkeit zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft für jeden potentiellen Erben erfolgen müsse. Die vom AG vorgenommene Anordnung einer Gesamtnachlasspflegschaft widerspreche dieser Grundannahme, sobald ein Teil der Erben bereits bekannt und auch handlungsfähig ist. Die Anordnung einer Teilnachlasspflegschaft erfolge auch im Interesse von Gläubigern, die Ansprüche gegen den Nachlass geltend machen wollen, weil ihnen bei einer unklaren Erbfolge und ohne die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft nicht möglich ist, ihre Ansprüche zu verfolgen.
Hinweis: Jeder Gläubiger, der ein berechtigtes Interesse hat, einen Anspruch gegenüber dem Nachlass anzumelden, ist berechtigt, einen Antrag auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zu stellen.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 11.07.2024 - 3 W 17/24
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Zum Thema Familienrecht
- Eheschließungserklärung: Onlineform der Eheschließung in Deutschland nicht wirksam
- Orientierung am Kindeswohl: Familiengericht muss ermitteln, bis es fundiert entscheiden kann
- Richteramt missbraucht: BGH bestätigt Urteil gegen Thüringer Familienrichter wegen Rechtsbeugung
- Verfahrensbeistand: Mehr als die Fallpauschale gibt es in Sachen Verfahrenskosten nicht
- Zur Wahrheitsfindung: Ergänzungspflegschaft ist auch bei möglicher Interessenkollision geboten
Eheschließungserklärungen sind auch in Deutschland möglich. Sie müssen aber von den Eheschließenden vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abgegeben werden. Eine von Deutschland aus per Videotelefonie vor einem Standesbeamten in den USA geschlossene Ehe ist in Deutschland hingegen unwirksam, wie diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt.
Zwei nigerianische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland schlossen im Mai 2021 per Videotelefonie die Ehe vor einer US-amerikanischen Behörde im Bundesstaat Utah. Die Eheleute befanden sich während der Eheschließung in Deutschland. Ihre Erklärungen gaben sie über eine zeitgleiche Übertragung in Bild und Ton gegenüber der Behörde in Utah ab und erhielten anschließend eine amerikanische Eheurkunde mit Apostille (eine Beglaubigungsform im internationalen Urkundenverkehr). Als die beiden nun auch in Deutschland heiraten wollten, wurde die amerikanische Eheschließung durch das Amtsgericht als unwirksam bezeichnet. Dagegen legten die Männer Beschwerde ein.
Sie unterlagen vor dem BGH, denn Art. 13 Abs. 4 Satz 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch besagt, dass eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden könne. Demnach müssen die Erklärungen der Eheschließenden vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abgegeben werden. Bei einer Eheschließung im Ausland könne auch das gegebenenfalls weniger strenge Recht des Eheschließungsorts angewendet werden. Da im vorliegenden Fall die Eheschließungserklärungen jedoch in Deutschland abgegeben wurden, kann nur deutsches Recht zur Anwendung kommen und damit auch die in Deutschland vorgeschriebene Form. Da sich die Eheleute nicht daran gehalten hatten, ist die Ehe nun unwirksam.
Hinweis: Will man heiraten oder andere Rechtsgeschäfte tätigen, sollte man sich immer nach den Formvorschriften des Orts des gewöhnlichen Aufenthalts richten. So geht man bei der Anerkennung des Rechtsgeschäfts auf Nummer sicher!
Quelle: BGH, Beschl. v. 25.09.2024 - XII ZB 244/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Für ein Familiengericht muss das Kindeswohl an oberster Stelle stehen. Unterlässt es ein Gericht, Ergebnisse aus seiner Amtsermittlungspflicht heraus als Basis für eine fundierte Entscheidung vorzulegen, muss es nochmals ran - so wie das Landgericht (LG) nach einer entsprechenden Entscheidung des nachfolgenden Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG).
Eine Serbin und ein Deutscher haben drei gemeinsame Kinder. Als die Eltern sich trennten, blieben die Kinder zunächst beim Vater. Dann wollte die Mutter die Kinder wieder bei sich haben und klagte dies auch ein. Sie beschuldigte den Vater der generellen Gewalttätigkeit, des Drogenkonsums sowie der Vergewaltigung. Er habe bereits 1.000 EUR Strafen zahlen müssen und auch seinen Führerschein verloren. Der Vater wiederum beschuldigte die Mutter, dass diese keinen Tagesablauf regeln könne, toxisch sei und sie die Kinder nicht in den Kindergarten bringe. Das Ganze mündete in einer Scheidung und einem streitigen Verfahren um das Sorge- und Umgangsrecht.
Hier wurden die Kinder zunächst der Mutter zugesprochen, doch der Vater wollte das nicht auf sich sitzen lassen, so dass der Fall schließlich beim OLG landete. Dieses entschied aber nicht, sondern verwies den Rechtsstreit wieder zurück an das LG, das seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Familiengerichte müssen den Sachverhalt nämlich so weit aufklären, dass er eine möglichst zuverlässige Tatsachengrundlage bildet. Erst aufgrund derer könne dann eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung getroffen werden. Bei Entscheidungen von großer Tragweite - wie der zum Aufenthalt des Kindes - kann auch die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens erforderlich sein. Wurde dieses nicht eingeholt, kann die Sache zurückverwiesen werden.
Hinweis: Geht es bei Ihnen auch um derart existentielle Entscheidungen, dann achten Sie darauf, dass das Gericht alle möglichen Aufklärungsmaßnahmen ausschöpft, bevor es entscheidet. Tut es das nicht, dann regen Sie die weitere Aufklärung an.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.10.2024 - 20 UF 63/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Auch wenn die Corona-Pandemie vorüber scheint - die Gerichte beschäftigt sie aber noch immer und womöglich noch länger. Lang erwartet wurde die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu einem im August 2023 ergangenen Urteil über einen Familienrichter, der sein Amt dazu benutzt hatte, dass Corona-Schutzmaßnahmen in Schulen nicht durchgesetzt werden können.
Der Familienrichter erließ im April 2021 eine einstweilige Anordnung, die es den Leitungen und Lehrkräften zweier Weimarer Schulen untersagte, einzelne der seinerzeit geltenden Maßnahmen des Infektionsschutzes zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 gegenüber den dort unterrichteten Kindern durchzusetzen. Die Entscheidung des Richters war wohlvorbereitet. Schon Anfang 2021 hatte er die Absicht zu dieser Entscheidung gefasst und zielgerichtet dafür gesorgt, dass diese Verfahren in seinem Zuständigkeitsbereich landen. Sonst hätte die Gefahr bestanden, dass ein anderer Richter entscheidet, und das nicht in seinem Sinne. Der Familienrichter wollte "seine" Entscheidung auf Biegen und Brechen treffen.
Der BGH bestätigte das ergangene Urteil des Landgerichts Erfurt (LG), da der Richter sein Richteramt zielgerichtet benutzt und missbraucht hatte. Er hatte sogar über seine private E-Mail-Adresse Kontakt zu Gutachtern aufgenommen, die seine Meinung zur Pandemie stützten. Diese habe er dann im Verfahren eingesetzt, um seine Anordnung treffen zu können. Das ist Rechtsbeugung. Somit hat das Urteil des LG vor dem BGH Bestand, mit dem der Angeklagte wegen Rechtsbeugung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war.
Hinweis: Das Handeln des Richters zeugt von einiger krimineller Energie. Sollte in Ihrem Verfahren ein Richter wesentliche Verfahrensgrundsätze außer Acht lassen, offensichtlich eigene Ziele verfolgen oder "blind" zu einer Seite tendieren, dann lehnen Sie ihn ab! Sie haben ein Recht auf eine neutrale Verfahrensleitung, dies muss eingefordert werden! Gerade, wenn es um Kinder geht, darf die Justiz nicht ihre eigenen Wege gehen!
Quelle: BGH, Urt. v. 20.11.2024 - 2 StR 54/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
In familienrechtlichen Verfahren kann es angezeigt sein, einen Verfahrensbeistand zu bestellen. Dieser erhält als Vergütung eine gesetzlich vorgesehene Fallpauschale. Kann dieser, wenn er in seiner Funktion als Beistand selbst etwas verauslagt, das dann on top erhalten? Meistens nicht, wie der folgende Fall zeigt, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.
In einem familienrechtlichen Verfahren wurde ein Verfahrensbeistand für eine Frau bestellt. Diese war Araberin und sprach schlecht Deutsch, so dass der Beistand einen Dolmetscher engagierte. Das war aus richterlicher Sicht auch angezeigt. Der Dolmetscher stellte schließlich 207 EUR in Rechnung, die der Verfahrensbeistand auch beglich. Natürlich machte er die 207 EUR neben seiner gesetzlichen Vergütung dann auch geltend und beantragte die Festsetzung seiner Beistandskosten und der Auslage als zusätzliche Kosten. Damit scheiterte er jedoch vor dem BGH.
Der Vergütungsanspruch des berufsmäßigen Verfahrensbeistands ist laut § 158c Abs. 1 Satz 1 und 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheitend der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt. Der Verfahrensbeistand erhält demnach eine Pauschale, die auch die Aufwendungen des Verfahrensbeistands umfasst - seine Fahrtkosten, aber auch etwaige Dolmetscherkosten für Gespräche mit dem Kind und/oder seinen Eltern. Ein Verfahrensbeistand muss mit seinen "Schützlingen" schließlich sprechen können. Daher ist es grundsätzlich bei Sprachbarrieren geboten, einen Dolmetscher zu engagieren. Da die Kommunikation aber Hauptaufgabe des Beistands ist, ist es auch gerechtfertigt, die Kommunikationskosten über die Pauschale abzugelten. Sonst würde man die Kosten "durch die Hintertür" zu Gerichtskosten machen können.
Hinweis: Prüfen Sie immer genau, was Ihr Beistand abrechnet. Nur so vermeiden Sie es, dass die Kostenlast versteckt über vermeintliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder eines anderen Sachverständigen in die Höhe getrieben wird.
Quelle: BGH, Beschl. v. 25.09.2024 - XII ZB 110/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Besteht zwischen Vormund und Mündel ein Interessengegensatz, kann dem Vormund die Vormundschaft entzogen werden (§ 1789 Abs. 2 Satz 4 Bürgerliches Gesetzbuch) - und zwar ganz oder teilweise. Dieses Urteil, in dem das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) die diesbezügliche Entscheidung der Vorinstanz bestätigte, zeigt deutlich, wann und warum dies angebracht sein kann.
Strittig war hier die Vertretungsbefugnis einer Kindsmutter. Sie wollte die Entscheidung für ihr 14-jähriges Kind treffen, ob sich dieses in einem Verfahren gegen seinen Vater als Nebenkläger anschließt. Dem Kindsvater wurde der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes gemacht. Das Amtsgericht (AG) setzte daher eine Ergänzungspflegschaft für die Frage des Anschlusses als Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Vater und gegebenenfalls zur Vertretung der Nebenklage im Strafverfahren ein. Das AG begründete dies damit, dass auch zwischen Mutter und Kind ein Interessengegensatz in dieser Frage nicht ausgeschlossen werden könne.
Die Entscheidung des AG wurde vor dem OLG bestätigt. Entscheidend für die Frage der Ergänzungspflegschaft ist es, ob ein erheblicher Interessengegensatz tatsächlich bestehe oder zumindest ernsthaft drohe. Hier kann eine Interessenkollision zum Beispiel deswegen bestehen, weil der Vater erstinstanzlich freigesprochen wurde, die Mutter den Vater dabei schwer belastet hatte und in der ersten Instanz Verfahrensfehler angemahnt wurden. Dennoch könne sich das Kind aber Umgang mit seinem Vater wünschen und eigene Angaben zum Tatvorwurf machen wollen. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Loyalitätskonflikt des Kindes in Bezug auf die Erwartungen der Mutter bestehe. Diese Möglichkeiten bergen die Gefahr, dass das Kind unter dem Druck der Mutter im Verfahren eben das sagt, was die Mutter hören wolle. Diesem Konflikt wollte das AG entgegenwirken, und das OLG gab diesen Bedenken recht.
Hinweis: Es kommt immer auf die Sicht des Mündels an. Können hier Konflikte entstehen, Drucksituationen oder gar Ängste geschürt werden, ist eine Pflegschaft anzudenken. So kann jeder neutral und unbefangen agieren. Dies wiederum dient in gerichtlichen Verfahren der Wahrheitsfindung. Nur so können gerechte Urteile und Beschlüsse gefällt werden.
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 20.11.2024 - 2 WF 121/24 e
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Zum Thema Mietrecht
- Der gekündigte Maklervertrag: Anteilig berechnete Bürokosten führen zur Gesamtunwirksamkeit des vereinbarten Aufwendungsersatzes
- Kein Auszug bei Modernisierung: Wer zur Duldung verurteilt wurde, darf sich meist auf passives Zulassen von Maßnahmen beschränken
- Kein hölzerner Flickenteppich: Materialprobleme machen Komplettaustausch von Parkett nach Wasserschaden unumgänglich
- Optische Beeinträchtigung: Entfernen von Strandkorb und Wäschespinne aus Gemeinschaftsgarten durchgesetzt
- Wohnungseigentümerversammlung online: Wahl von Hard- und Software darf in Absprache mit dem Beirat der Verwaltung überlassen werden
Prinzipiell kann ein Kunde einen Maklervertrag jederzeit kündigen. Die Frage, die dann jedoch zumeist im Raum steht, ist, ob und - wenn ja - welche Vergütung der Makler dann noch erhält. Die Antworten darauf hat nun das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) gegeben.
Ein Mann beauftragte eine Immobilienmaklerin mit der Vermarktung seines Einfamilienhauses im Hintertaunus zum Angebotspreis von 695.000 EUR. Nach Nr. 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Maklervertrags war der Auftraggeber bei eventueller Aufgabe seiner Verkaufsabsichten zu einem Aufwendungsersatz verpflichtet. Zu diesen erstattungspflichtigen Aufwendungen sollten auch anteilige Bürokosten zählen. Nach vier Monaten kam es tatsächlich zur Kündigung, als der Mann der Maklerin mitteilte, dass das Haus doch nicht kurzfristig verkauft werden solle. Die Maklerin stellte ihm daraufhin 11.450 EUR in Rechnung, wovon 280 EUR auf "Fremdkosten laut Aufstellung" und der übrige Betrag auf Arbeitsstunden entfallen seien. Hierauf zahlte der Mann 6.280 EUR, die er nun mit einer Klage doch zurückverlangte - und zwar zu Recht.
Die Nr. 6 der AGB des Maklervertrags (Aufwendungsersatz für anteilige Bürokosten) war in Augen des OLG unwirksam. Die Regelung benachteiligte den Vertragspartner unangemessen. Zwar kann eine Pflicht des Maklerkunden zum Aufwendungsersatz grundsätzlich in den AGB vereinbart werden - sie muss sich dann aber wirklich und ausschließlich auf den Ersatz des konkreten Aufwands beziehen. Eine darüber hinausgehende Pflicht zum Aufwendungsersatz lässt sich in AGB nicht wirksam vereinbaren. Grundsätzlich ist beim Maklervertrag die Provision vom Erfolg der Tätigkeit abhängig. Wird im Gewand des Aufwendungsersatzes in Wahrheit eine erfolgsunabhängige Provision vereinbart, widerspricht dies dem Leitbild - die Regelung ist damit unwirksam. Die Unwirksamkeit der Belastung mit anteiligen Bürokosten führte hier zur Gesamtunwirksamkeit der Vereinbarung über den Aufwendungsersatz. Andernfalls wäre es einem Makler möglich, risikolos rechtlich nicht geschuldete Positionen abzurechnen in der Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Kunden hierauf eine Zahlung leistet.
Hinweis: Wer überraschende Klauseln in seinem Vertragswerk benutzt, sollte sicherstellen, dass diese Klauseln auch rechtmäßig sind. Andernfalls muss er damit rechnen, dass dieser Fehler sehr teuer werden kann. Ob Vertragsklauseln wirksam sind oder nicht, prüft der Anwalt des Vertrauens.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 23.10.2024 - 19 U 134/23
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten müssen in den meisten Fällen seitens der Mieter geduldet werden. Natürlich kann man nicht alle Maßnahmen einfach passiv ertragen, wenn man mitten im anfallenden Chaos leben muss. Die Frage aber, ob ein Mieter währenddessen auch zum Auszug gezwungen werden kann, wenn er bereits zur Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten verurteilt wurde, musste das Landgericht Berlin II (LG) entscheiden.
Im Jahr 2021 war der Mieter zur Duldung mehrerer Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten verurteilt worden. Das Gericht hatte ihn verpflichtet, den von der Vermieterin beauftragten Handwerkern den Zutritt zur Ausführung der Arbeiten jeweils nach entsprechender rechtzeitiger Ankündigung vom Montag bis Freitag im Zeitraum zwischen 7 und 18 Uhr zu gewähren. Mit mehreren Schreiben forderte die Vermieterin den Mieter zwischen Juli und September 2023 auf, für Baufreiheit zu sorgen und das Haus zu räumen, da die Bewohnbarkeit der Immobilie in der Zeit der Bauphase nicht gegeben sei. Der Mieter erwiderte hingegen, dass er nur zur Duldung und Zutrittsgewährung, nicht jedoch zur vorübergehenden Räumung verurteilt worden sei. Daraufhin legte die Vermieterin eine Räumungsklage ein.
Die Klage wurde vor dem LG abgewiesen. Der im Gesetz verwendete Begriff der Duldung erfasse kein aktives Handeln, sondern beschränke sich auf ein passives Zulassen der Maßnahmen und die Gewährung von Zutritt. Ein zur Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten verpflichteter Mieter muss das Mietobjekt während der Bauarbeiten nicht auf bloßes Verlangen des Vermieters räumen. Dies komme höchstens unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht - etwa dann, wenn die Maßnahmen bei einem baufälligen Haus nicht anders erledigt werden können. Dafür waren hier weder dem Ankündigungsschreiben noch den außergerichtlichen Schreiben entsprechende Anhaltspunkte zu entnehmen.
Hinweis: Gerade im Mietverhältnis ist das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme wichtig. Das gilt sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter.
Quelle: LG Berlin II, Urt. v. 22.10.2024 - 65 S 139/24
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Wer schon einmal das Vergnügen hatte, Parkett zu verlegen, weiß nur zu gut, dass das schöne Ganze aus verflixt vielen einzelnen Teilen besteht. Entsprechend verhält es sich auch bei der Beseitigung von Schäden des edlen Untergrunds. Das Landgericht Lübeck (LG) musste daher in der Frage entscheiden, wie viel eine Wohngebäudeversicherung für einen teilbeschädigten Parkettboden bezahlen muss.
Im Wohnhaus der Klägerin wurde versehentlich eine Hauswasserleitung angebohrt. Deshalb beschädigte austretendes Leitungswasser das Parkett und die Tapete an einigen Stellen in der Wohnung. Die Frau meldete den Schaden bei ihrer Wohngebäudeversicherung. Die übernahm jedoch nur die Kosten für einen Teilaustausch der beschädigten Flächen, da sie den Austausch des gesamten Parketts nicht für notwendig hielt. Deshalb klagte die Frau. Sie meinte, nur durch den kompletten Austausch könne ein einheitliches Erscheinungsbild des Parketts und der Tapete wiederhergestellt werden.
Das sahen die Richter des LG genauso - zumindest beim Parkett. Denn klar war: Eine Reparatur ohne Austausch war wegen der Feuchtigkeitsschäden nicht möglich. Dabei käme ein Teilaustausch jedoch nicht in Betracht, da die entsprechende Parkettsorte gar nicht mehr erhältlich war. Mit unterschiedlichen Parkettsorten seien hingegen nicht hinnehmbare optische Brüche geblieben. Für einen Komplettaustausch der Tapeten muss die Versicherung jedoch nicht aufkommen. Hier sei lediglich ein optischer Bruch zwischen Wohn- und Essbereich zu erwarten - und dieser sei wegen der Trennung der Räume als durchaus akzeptabel anzusehen.
Hinweis: Egal, um welchen Schaden es in einer Wohnung geht: Das Sichern der Beweise ist ganz wichtig. Der erste Schritt ist es, Fotos anzufertigen.
Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 05.06.2024 - 4 O 345/22
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Schon Schiller wusste, dass der Frömmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Und so beschäftigt sich das Mietrecht nicht nur mit Zwistigkeiten zwischen Mietern und Vermietern, sondern auch mit Nachbarschaftsstreitereien, wie in diesem Fall des Amtsgerichts Dortmund (AG).
Hier ging es nämlich um Wohnungseigentümer und deren Benutzung von Gemeinschaftsflächen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft bestand zwar aus lediglich zwei Parteien - das war aber nachweislich schon genug für einen gerichtlichen Streit. Ihr Gemeinschaftseigentum umfasste einen Garten, in dem sich sowohl ein Strandkorb als auch eine Wäschespinne befanden. Die eine Eigentümerin verlangte nun die Unterlassung des Aufstellens dieser beiden Elemente, da sie der Meinung war, darin eine optische Beeinträchtigung zu sehen.
Und siehe da: Das AG entschied zugunsten der Klägerin. Ihr stehe nämlich nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch, § 14 Abs. 2 Nr. 1 Wohnungseigentumsgesetz ein entsprechender Anspruch auf Unterlassung zu. Beim abgestellten Strandkorb und der aufgestellten Wäschespinne handelte es sich in diesem Sinne um eine tatsächlich nicht hinzunehmende optische Beeinträchtigung. Eine derartige Nutzung des Gemeinschaftseigentums sei damit unzulässig. Zudem sei es unerheblich, ob die Klägerin in der Vergangenheit selbst eine Wäschespinne im Garten genutzt habe. Denn auch dies wäre unzulässig gewesen und hätte auch von der Beklagten unterbunden werden können.
Hinweis: In der Wohnungseigentumsanlage kann es immer wieder zu Konflikten kommen. Oftmals kann hier auch ein Mediator helfen, den Konflikt beizulegen. Viele Anwälte sind auch als Mediator ausgebildet.
Quelle: AG Dortmund, Urt. v. 18.04.2024 - 514 C 112/23
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Spätestens während der Corona-Pandemie erwies sich die moderne Informationstechnologie als Fluch und Segen zugleich - und zwar für alle Alters- und Bevölkerungsgruppen. Doch nach wie vor bringt ihre Anwendung Rechtsstreitigkeiten mit sich. Das Amtsgericht Berlin-Mitte (AG) musste sich mit Hard- und Softwarefragen bei Versammlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft beschäftigen, die künftig auch online ablaufen sollten.
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft fällte den Beschluss, dass es für die Folgeversammlung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) gestattet sein soll, online an der Versammlung teilzunehmen. Dabei wurde bestimmt, dass das elektronische Kommunikationssystem seitens der Hausverwaltung in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat festgelegt werden solle. Gegen diesen Beschluss zog eine Eigentümerin vor Gericht, da sie der Ansicht war, die Wohnungseigentümer hätten eine Entscheidung über die Modalitäten der Teilnahme treffen müssen - insbesondere zur Wahl des elektronischen Kommunikationssystems oder zu Vorgaben zu den technischen Anforderungen an Hard- und Software.
Das AG wies die Klage jedoch ab. Weder die inhaltliche Ausgestaltung des Beschlusses noch die fehlenden Erläuterungen zu Hard- und Softwareausstattung begründeten eine Nichtigkeit. Es ist durchaus möglich, diese Entscheidungen der Verwaltung in Absprache mit dem Beirat zu überlassen. Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG sieht nämlich lediglich vor, dass eine Entscheidung über die grundsätzliche Gestattung und die wahrzunehmenden Eigentümerrechte zu treffen ist.
Hinweis: In § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG heißt es wörtlich: "Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit vor Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können." In der Praxis werden solche Onlineversammlungen derzeit noch selten durchgeführt. Das wird sich in absehbarer Zeit sicherlich ändern.
Quelle: AG Berlin-Mitte, Urt. v. 02.05.2024 - 22 C 50/23 WEG
zum Thema: | Mietrecht |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Flugverspätung: Fluggesellschaft muss ausreichend Ersatzflüge anbieten, um Zahlungsansprüche auszuräumen
- Keine Pflichtwahl: Frage um Ausschussvorsitz von AfD-Nachrückern in Landschaftsversammlung Rheinland geklärt
- Schlägerei beim Sportverein: Konzertveranstalter haften nicht automatisch für Folgen durch hinzugezogene Sicherheitskräfte
- Unklarer "Kündigungsbutton": Eine Kündigung zu beabsichtigen bedeutet nicht, auch wirklich zu kündigen
- Vertragliche Grundlage: Die Kündigung des Girokontos auch durch Genossenschaftsbanken jederzeit möglich
Hat ein Flug Verspätung, steht dem Fluggast häufig eine Entschädigungszahlung zu. Doch darf die Fluggesellschaft stattdessen auch eine Ersatzbeförderung anbieten? Und wenn ja, wie muss diese aussehen? Die Antworten kommen vom Bundesgerichtshof (BGH), der hierfür die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zurate zog.
Ein Fluggast verfügte über eine bestätigte Buchung für einen Flug, der planmäßig am 29.07.2019 um 18:55 Uhr (Ortszeit) in Berlin-Tegel starten und um 20:10 Uhr in Düsseldorf landen sollte. Die Fluggesellschaft annullierte sowohl diesen als auch den im Anschluss vorgesehenen und vom selben Flugzeug durchzuführenden (Rück-)Flug. Sie bot dem Fluggast über den Login-Bereich ihrer Homepage mehrere Flüge ihres Unternehmens als Ersatzbeförderung an, von denen einer noch am selben Tag und die übrigen an den Folgetagen vorgesehen waren. Der Fluggast entschied sich für jedoch für eine Fahrt mit der Bahn und verlangte eine Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung.
Der BGH gab dem Fluggast Recht. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse das Luftfahrtunternehmen alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um zu vermeiden, dass es durch außergewöhnliche Umstände genötigt ist, einen Flug zu annullieren. Gleiches gilt, wenn der Flug nur mit einer großen Verspätung durchgeführt werden kann, deren Folgen für den Fluggast einer Annullierung gleichkommen. Zu den demnach gebotenen Maßnahmen gehöre es, dem Fluggast eine mögliche anderweitige direkte oder indirekte Beförderung mit einem Flug anzubieten, den das betroffene oder ein anderes Luftfahrtunternehmen durchführt und der mit weniger Verspätung als der nächste Flug des betreffenden Luftfahrtunternehmens ankommt. Hier hatte die Fluggesellschaft aber nur eigene wenige Flüge angeboten. Ebendies reichte jedoch nicht aus, so dass der Fluggast eine Entschädigung erhielt.
Hinweis: Ob einem Fluggast eine Ausgleichszahlung für einen verspäteten Flug zusteht, kann ein Rechtsanwalt prüfen. Jeder Fall ist anders und jeder Fall bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit.
Quelle: BGH, Urt. v. 24.09.2024 - X ZR 109/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Wenn einer seinen Sitz aufgibt, dann rückt eben ein anderer nach. So in etwa stellte es sich die AfD-Fraktion in der Landschaftsversammlung Rheinland vor. Ob diese Landschaftsversammlung die Nachbesetzung freigewordener Ausschussvorsitze der AfD-Fraktion durch die zur Wahl gestellten Kandidaten habe ablehnen dürfen, musste das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen final entscheiden.
Nachdem einige Vertreter der AfD-Fraktion aus dem Landschaftsausschuss sowie aus verschiedenen Fachausschüssen der Landschaftsversammlung Rheinland ausgeschieden waren, beantragte die AfD-Fraktion in verschiedenen Sitzungen, Nachfolger für diese Sitze in den Ausschüssen zu wählen. Die Landschaftsversammlung lehnte eine Nachbesetzung mit den von der Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten teilweise ab. Mit ihrer dagegen eingereichten Klage wollte die Fraktion hingegen festgestellt wissen, dass dies rechtswidrig war. Sie meinte, die Landschaftsversammlung sei verpflichtet gewesen, die vorgeschlagenen Kandidaten zu wählen.
Das sah das OVG jedoch anders. Die Landschaftsversammlung Rheinland durfte die Nachbesetzung freigewordener Ausschusssitze der Fraktion durchaus ablehnen. Das Recht der Fraktionen ist darauf beschränkt, dass sie Kandidaten für die Wahl vorschlagen können und dass die freie Wahl ordnungsgemäß - insbesondere frei von Rechtsmissbrauch - durchgeführt werde. Für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Landschaftsversammlung bestünden hier keine Anhaltspunkte. Insbesondere habe sie gegenüber der AfD-Fraktion keine "Blockadehaltung" verfolgt: Schließlich waren bei den in einer Sitzung im März 2023 durchgeführten Einzelwahlen durch die Landschaftsversammlung elf der insgesamt 14 von der Fraktion vorgeschlagenen Personen gewählt worden.
Hinweis: Das OVG hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.
Quelle: OVG Münster, Urt. v. 11.11.2024 - 15 A 1404/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Selbst kleine körperliche Auseinandersetzungen können zu gravierenden Schädigungen führen. Das zieht dann meistens umfangreiche gerichtliche Verfahren nach sich. Wie mit einem solchen Verfahren mit Schadensersatzforderungen umzugehen ist, und ob der Veranstalter für durch ihn beauftragte Ordner haftet, musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entscheiden.
Ein Sportverein veranstaltete jährlich am ersten Weihnachtstag in einem Gemeindezentrum ein "Weihnachtsrock"-Konzert und erhielt von der Gemeinde die Auflage, die dortige Sicherheit zu gewährleisten. Es wurde daher ein Ordner beauftragt, der wiederum zwei weitere Sicherheitskräfte rekrutierte. Diese erhielten statt einer Bezahlung Freigetränke und eine Einladung zu einem späteren Helferfest. Dann kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, deren Einzelheiten im Wesentlichen streitig blieben. Jedenfalls erlitt ein Gast durch eine Schlägerei mit einem Mitglied des Sicherheitspersonals einen Schädelbasisbruch mit Schädelhirntrauma dritten Grades und Hirnblutungen. Die Sicherheitskraft wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Der Täter sowie der Verein wurden sodann verklagt und als Gesamtschuldner zur Zahlung von 91.132 EUR sowie eines angemessenen Schmerzensgeldes verurteilt. Der Verein wehrte sich dagegen mit einer Berufung - und zwar erfolgreich.
Das OLG urteilte, dass der Gewaltexzess des Ordners nicht automatisch dem Konzertveranstalter zugerechnet werden kann. Die Begehung der vorsätzlichen Körperverletzung durch eine von einem örtlichen Verein für eine Konzertveranstaltung beauftragte Sicherheitskraft stand nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Tätigkeit, weil diese ohne ersichtlichen Grund oder Provokation erfolgt sei und auch ein Außenstehender die Tätigkeit nicht als Teil der übertragenen Aufgabe aufgefasst hätte.
Hinweis: Ob und in welcher Höhe Ansprüche nach tätlichen Angriffen gegen den Schädiger bestehen, kann am besten der Rechtsanwalt des Vertrauens einschätzen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.10.2024 - 9 U 85/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Verbraucher müssen eine Kündigung eines im Internet geschlossenen Vertrags abgeben können - und zwar stets auf einfache Art und Weise. Wie das genau auszusehen hat, hat das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) im folgenden Fall geklärt.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände beanstandete gerichtlich das Fehlen eines Kündigungsbuttons auf der Website eines Portals, das Verbrauchern den Abschluss von Strom- und Gasverträgen anbot. Ein solcher Button müsse auf der Bestätigungsseite zu finden sein, mit der der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben könne. Diese Bestätigungsschaltfläche müsse mit den Worten "jetzt kündigen" oder einer anderen entsprechend eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Die verwendete Formulierung "Kündigungsabsicht abschicken" lasse die von § 312k Bürgerliches Gesetzbuch geforderte Deutlichkeit vermissen.
Das OLG hat der Klage stattgegeben. Eine Bestätigungsschaltfläche "Kündigungsabsicht abschicken" ist nicht ebenso eindeutig wie "jetzt kündigen". Jedenfalls kann bei der Formulierung "Kündigungsabsicht abschicken" und dabei vor allem dem gewählten Wort "Kündigungsabsicht" der Eindruck entstehen, dass noch keine endgültige Kündigungserklärung damit verbunden ist. Damit genügte diese Formulierung nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Hinweis: Es wird deutlich, dass die Gerichte den Gesetzestext auch eindeutig umgesetzt haben wollen. Denn andernfalls ist nicht sichergestellt, dass Verbraucher auch tatsächlich eine Kündigungserklärung abgeben können.
Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 26.09.2024 - 5 UKI 1/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Genossenschaftsbanken wie beispielsweise die Volksbanken haben Mitglieder statt Kunden - und zwar ihre Genossen. Daher ist die Eröffnung eines Kontos ohne eine Mitgliedschaft auch nicht möglich. Ob eine solche Bank einem Genossen dessen Konto einfach kündigen darf, musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Ein Mann hatte ein Girokonto, ein Kreditkartenkonto und ein Wertpapierdepot bei einer Genossenschaftsbank und war somit auch Mitglied bei dem Kreditinstitut. Nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen war die Bank berechtigt, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist die Konten zu kündigen. Genau das tat die Bank dann auch - zum Missfallen des Kunden. Dieser zog vor Gericht und beantragte, festzustellen, dass die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien weiterhin fortbestehe. Er meinte, weil er Mitglied der Genossenschaft sei, wäre eine Kündigung nicht möglich.
Die Klage wurde vor dem BGH allerdings abgewiesen. Wenn der Geschäftsverkehr der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft auf vertraglicher Grundlage beruhe, spiele er sich außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses ab, so dass rein schuldrechtliche Beziehungen entstehen und das Mitglied der Genossenschaft insoweit wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt. Deshalb konnte die Bank die Geschäftsbeziehung kündigen.
Hinweis: Es ist also für eine Genossenschaftsbank möglich, einen Girovertrag eines Mitglieds ohne Angabe von Gründen zu kündigen.
Quelle: BGH, Urt. v. 15.10.2024 - XI ZR 50/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2025)
Kurzübersicht Ahls-Anwälte
Sozietät
Für die Sozietät sind sechs Rechtsanwälte tätig. Vier der Rechtsanwälte haben ihren Kanzleisitz in Steinheim, die übrigen in Warburg. Auf Anfrage beraten sämtliche Anwälte an allen Standorten. Mehr erfahren
Rechtsgebiete
Wir stehen Ihnen bei allen Rechtsfragen zur Verfügung. Wir führen für Sie Prozesse, vertreten Sie in Schiedsverfahren und beraten Sie außergerichtlich. Die Schwerpunkte unserer Tätigkeit liegen in den aufgeführten Rechtsgebieten. Mehr erfahren
Service
Hier erhalten Sie vorgefertigte Dokumente als PDF Version. zum Downloadbereich